Topthema ▶ Handeln in Zeiten der Corona-Pandemie im Krankenhaus (u. a. Risikoidentifikation, Risikoanalyse, Risikobewertung, Risiko- steuerung, Risikocontrolling). Patientenmanagement und Patienten- logistik Um eine übergreifende patientenbezo- gene Ziel-, Akteurs- und Strukturaus- richtung sowie eine qualitätssichernde, serviceorientierte und ressourceneffizien- te Leistungserbringung in der Kranken- hausversorgung zu erreichen, muss nicht nur ein konzeptionelles Hygiene- und Risikomanagement sichergestellt sein, sondern es müssen auch ein umfassendes Patientenmanagement und eine abge- stimmte Patientenlogistik unterstützt werden. Patientenmanagement umfasst dabei einerseits die übergreifende Steue- rung der Patientenströme (z. B. Patienten mit COVID-19-Symptomen, elektive Pati- enten) sowie andererseits die Ausgestal- tung der individuellen Patientenkarrieren (z. B. Case Management, Patientenpfad, Patient-Health-Professional-Interaktion). Verknüpft werden diese Themenfelder des Patientenmanagements durch die über- greifende Patientenorientierung sowie die Querschnittsfunktion Patientenlogistik. Patientenlogistik umfasst dabei die be- gleitete und nichtbegleitete Bewegung und Unterbringung von ambulanten und stationären Patienten innerhalb eines definierten Bereichs (z. B. Krankenhaus). Die Patienten müssen dabei zielgerichtet informiert, gesteuert und koordiniert werden und die für die Patientenversor- gung erforderlichen Produktionsfakto- ren (z. B. Arzneimittel, Medizintechnik, Informationen, Health Professionals) am jeweiligen Point-of-Care bereitgestellt und zusammengeführt werden. Logistische Innovationen für eine smarte Krankenhausversorgung Ausgehend von dem Streben nach konti- nuierlicher und unendlicher Verbesserung in der Logistik (Kaizen) gilt es, mittels Flow Management die dynamischen Faktoren des Mobilisierens und Fließens der Objekte (z. B. Medizintechnik) bzw. der Subjekte (z. B. Patienten) im Krankenhaus zu stärken sowie die umwelt- und abteilungsüber- greifenden Prozesse und Interaktionen zu konfigurieren. Hierdurch lassen sich u. a. die knappen Ressourcen durch logistische Ansätze und Systeme besser und flexibler nutzen sowie die Risiken von Intransparenz und ungewollten Kontakten reduzieren. In diesem Zusammenhang bietet auch das Toyota-Produktionssystem (TPS) eine Vielzahl logistischer Ansätze und Instru- mente für die qualitative Patientenver- sorgung sowie die optimierte Nutzung knapper Ressourcen. In Verbindung mit einer verbesserten Patientenversorgung, hinsichtlich übergreifender Steuerung der Patientenströme sowie der Ausgestaltung der individuellen Patientenkarrieren, un- ter Berücksichtigung von knappen Res- sourcen, hygienischen Notwendigkeiten, patien tenindividuellen Anforderungen sowie risikobezogenen Wahrscheinlichkei- ten gilt es, die Prozesse zu standardisieren und zu synchronisieren, Bestände und Lagerkapazitäten zu optimieren, Fehler zu vermeiden sowie Mitarbeiter und Pa- tienten zu qualifizieren. Mögliche logistische Ansätze sind hier: Prozess orientierung, Fehlervermeidung, Modularisierung, Track & Tracing, Digita- lisierung, Automation, Tourenplanung und -disposition, Lagermanagement, Schnittstellen management oder Pull- Prinzip, das heißt die nachfrageorientierte Ausgestaltung bzw. Umsetzung der Ver- sorgungsstrukturen und -prozesse. 10 logistische Innovationstreiber Die Versorgung von Corona-Patienten bzw. Patienten mit entsprechenden Symptomen sowie deren Abgrenzung zu anderen Patienten und Personen im Krankenhaus ist verbunden mit vielen Herausforderungen (z. B. bezüglich Fall- erkennung, Infektionsgefahr, Aufkom- men, Gesundheitszustand, Anamnese und Diagnostik, stationäre Aufnahme und Therapie). Neben unterschiedlichen Koordinierungs- und Kommunikations- aufgaben sowie primären medizinisch- pflegerisch-therapeutischen Leistungen gilt es, die unterschiedlichen benötigten knappen Ressourcen zielgerichtet nach hygienischen, risikovermeidenden und patientenbezogenen Anforderungen am jeweiligen Point-of-Care (POC) zusam- menzuführen und sicherzustellen. Die 10 logistischen Innovationstreiber, die im nebenstehenden Kasten dargestellt sind, können die Bewältigung dieser He- rausforderung unterstützen. Smart Hospital als Koordinations- zentrum Aktuell stehen insbesondere die Kranken- häuser infolge der Corona-Pandemie vor enormen logistischen Herausforderungen hinsichtlich der Bewältigung unsicherer und schwankender Nachfrage bei gleich- zeitig sich zunehmend verknappenden Ressourcen. Neben der primären Bereit- stellung der erforderlichen Ressourcen am POC ergibt sich hinsichtlich der Unterstüt- zungsprozesse das Auftreten von Versor- gungsengpässen (z. B. Peitschen effekt). Hieraus resultiert die Notwendigkeit der Disposition der unterschiedlichen primä- ren und sekundären Leistungsprozes- se – sowohl innerhalb des Krankenhauses als auch zwischen Krankenhaus und den vor- und nachgelagerten Prozessen bzw. den unterschiedlichen Umwelten (z. B. ambulante Versorgung, regionale Ko- operationspartner, Lieferanten). Es wird deutlich, dass sich das Krankenhaus, insbesondere im Rahmen der Corona- Pandemie, zu einem Koordinationszentrum der mannigfaltigen und vielschichtigen Versorgungsprozesse im Gesundheits- system entwickelt hat. Zur Bewältigung dieser Aufgabe bedarf es nicht nur eines spezialisierten medizinischen, pflegerischen oder therapeutischen Know-hows, sondern vielmehr auch umfangreicher Manage- ment- und Führungsqualifikationen sowie logistischer Ansätze und Innovationen. ▬ Prof. Dr. Johannes Kriegel MBA, MPH, ist Professor für Gesundheitsmanage- ment, Department Gesundheits-, Sozial- und Public Management, Fachhochschule Oberösterreich. 18 Klinik Einkauf Juli 2020 | 2. Jg.