
Auf den ersten Blick gibt es keine sichtbaren Berührungspunkte zwischen Krankenhäusern und den sogenannten Strom-Fahrzeugen. Aber dennoch birgt die E-Mobilität ein riesiges Potenzial für die am Krankenhauseinkauf und alle an der Krankenhauslogistik Teilnehmenden. Nun aber rückt das Thema der E-Mobilität aus dem Bereich der privaten Fahrzeugnutzung in ein neues Anwendungsfeld: das Transportgewerbe.
Im aktuellen Ist-Zustand werden fast 100 Prozent der Waren für Einrichtungen des Gesundheitswesens per Lastkraftwagen oder Transporter ausgeliefert; unabhängig ob von einem zentralen Logistikzentrum, vom Hersteller direkt oder von einem Überseehafen. Und ebenfalls sind fast 100 Prozent der aktuell genutzten Transportmittel Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Lediglich ein Bruchteil der Transporte erfolgt unter Einsatz eines mit Batteriestrom angetriebenen Fahrzeugs; beispielsweise mit den seit 2014 in Kooperation mit der Firma StreetScooter GmbH aus Aachen hergestellten E-Scootern der DHL-Logistikgruppe. Allerdings ist DHL aus diesem Programm 2020 wieder ausgestiegen. Zurzeit haben immer mehr namhafte Fahrzeughersteller E-Nutzfahrzeuge in ihren Programmen. Und europa wie auch weltweit agierende Logistik-Unternehmen wie GLS, UPS oder die Otto Group wollen mittelfristig auch durch den Einsatz von E-Nutzfahrzeugen klimaneutral werden.
Nun aber rückt das Thema der E-Mobilität aus dem Bereich der privaten Fahrzeugnutzung in ein neues Anwendungsfeld: das Transportgewerbe.
Wer trägt die Kosten?
Durch die politisch wie auch gesellschaftlich geforderten und geförderten Umstellungen auf klimaneutrale Mobilität im Transportgewerbe gibt es einen aktuellen Trend mit einem für Krankenhäuser und Kliniken nicht eindeutig kalkulierbarem Kostenaufkommen. Schließlich müssen und werden die Kosten für Beschaffung und Unterhaltung von E-Mobilität-gerechten Fahrzeugen auf irgendwen umgelegt. Neben den aktuell immer wieder erfolgten Kostenanpassungen durch die Logistik-Dienstleister entstehen nun neue direkte und indirekte Kosten, u. a. für Ladesäulen. Somit ergeben sich für Einkäufer im Gesundheitswesen völlig neue Kostenfelder, die bisher keine Rolle spielten. Denn der Appell einer verbrennungsmotor-freien mobilen Zukunft und die daraus resultierenden Folge-Kosten werden weder von der Politik, von Klimaschützern oder von Fridays-for-Future-Aktivisten bezahlt. Ebenfalls wird kein Hersteller, kein Lieferant und auch kein Logistikunternehmen diese Kosten selbst tragen wollen.
Und diese Kosten sind beachtlich. Sie umfassen Beschaffungskosten, Unterhalt und natürlich auch Fix-Verbrauchskosten. Aktuell können diese Kosten auch nicht 1:1 in das Verhältnis zu den Kosten aus dem Bereich der privaten Fahrzeugnutzung gesetzt werden. Ein weiterer Gesichtspunkt sind die Voraussetzungen und Bedingungen, die erfüllt werden müssen, um staatliche Zuschüsse zu erhalten.
Die aktuelle Bundesregierung hatte ein Förderprogram mit der Bezeichnung „Ladeinfrastruktur 2017–2020“ mit einem Volumen von 300 Millionen Euro für den Aufbau von 30 000 öffentlich zugänglichen Ladepunkten u. a. auf Kundenparkplätzen und an Tankstellen aufgelegt. Weitere Förderprogramme des Bundes, wie die 268 Millionen Euro für die Mobilitäts und Kraftstoffstrategie (MKS), sollen die Aus bzw. Nachrüstung von Bushöfen unterstützen und fördern. Eine weitere Förderrichtlinie „Öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in Deutschland“ mit einem Volumen von 500 Millionen Euro und einer Laufzeit bis 2025 wurde ebenfalls neu aufgelegt.
Ein weiteres Betätigungs bzw. Anwendungsgebiet ist das Förderprogramm des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) für nicht öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur, in dem ab Sommer 2021 mit 350 Millionen Euro Ladepunkte an Mitarbeiterparkplätzen und das Flottenladen gefördert werden sollen.
Keine Förderung von Abladepunkten!?
Es gibt Ausnahmen, und eine dieser Ausnahmen ist die Initiative von Daimler Truck, Traton und Volvo. Diese drei Unternehmen wollen mit einem Volumen von 500 Millionen Euro ein europaweites Schnelllade-Netzwerk mit mindestens 1 700 Ladestellen für Lkw und Reisebusse auf und ausbauen. Laut der Pressemitteilung sollen die mit Ökostrom betriebenen öffentlichen Hochleistungsladesäulen in der Nähe von Autobahnen, Logistik-Zentren und Abladestellen errichtet werden. Die geplante gemeinsame Gesellschaft für den Bau soll ihren Sitz in Amsterdam haben, die Vereinbarung zur Gründung solle bis Ende 2021 erfolgen. Mit den Ladesäulen wolle man den Weg für einen klimaneutralen Güterverkehr bis 2050 bereiten, teilten die Unternehmen mit.
Viele Logistik-Unternehmen sehen die aktuellen Förderrichtlinien allerdings als nicht zielführend an. Das aktuelle Förderungsaugenmerk des Bundes liegt immer noch auf der privaten Fahrzeugnutzung. Förderungen und Programme für eine Umstellung von dieselbetriebenen Lastkraftwagen und Transporten auf umweltfreundliche und schadstoffarme bzw. schadstofffreie Fahrzeuge sind bisher in der Bundesrepublik Deutschland die Seltenheit. Wie der ADAC in der „Marktübersicht: Die aktuellen Elektro-Transporter“ am 04. August 2021 feststellt, sind trotz der bis Ende 2021 abrufbaren Innovativprämie von 7 500 Euro die Elektro-Transporter nicht billig.
Auch die Reichweiten-Abgaben der aufgelisteten 42 Modelle von E-Transportern ist im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren eher bescheiden. Sie liegen zwischen 137 km bis 329 km. Lediglich ein Fahrzeug, das als Plug-in-Hybrid angeboten wird, erreicht eine Reichweite von 500 km.
Aber nicht alles kann für Krankenhäuser und andere Einrichtungen des Gesundheitswesens mit E-Transportern angeliefert werden. Paletten mit Infusionslösungen, die schon mal 400 kg wiegen, oder aber die Krankenhaus-Wäsche müssen mit Lastkraftwagen befördert werden. Hier gibt es das drei Jahre (2016 bis 2019) laufende Projekt „iHub“ aus dem Technologieprogramm „IKT für Elektromobilität“ inklusive eines Feldversuchs bei der Firma DB Schenker mit drei unterschiedlichen E-Lkw. Es wurden unter realen Bedingungen und Witterungseinflüssen ein 5,5-Tonnen und ein 12-Tonnen-Fahrzeug sowie ein 18-Tonner mit E-Antrieb in der Praxis erprobt.
Das Ergebnis des Projekts ist durchwachsen: Der reine E-Lkw kann durch die Reichweiten-Einschränkung für bestimmte Touren nicht zur Verfügung stehen. Grundvoraussetzung für den Einsatz ist eine Software-gestützte, dynamische Tourenplanung inklusive eines speziellen Navigationssystems mit Einbindung des Batterie-Ladezustands.
Probleme mit der Reichweite
Selbst wenn es eine entsprechend große Flotte von E-Lkw und E-Transportern geben wird, gibt es ein weiteres Problem: die Reichweite! Entweder kehren die Fahrzeuge zum Aufladen der Akkus regelmäßig auf ihre Betriebshöfe oder Firmengelände zurück; oder sie laden an der Ablieferstelle. Hier können die Krankenhäuser und Kliniken ins Spiel kommen.
Im Jahr 2021 gibt es nur an 2782 der 1 9143 deutschen Krankenhäusern überhaupt die Möglichkeit zum Laden von E-Fahrzeugen. An den 278 Einrichtungen befinden sich insgesamt 889 Ladepunkte mit folgenden Spezifikationen: 683 × Typ 2 Dose, 70 × Schuko, 51 × Typ 2 Stecker, 25 × CHAdeMO, 24 × Combo Typ 2 (CCS) EU. Alle Ladepunkte befinden sich nur in öffentlichen Parkplatzbereichen sowie auf Mitarbeiter-Stellplätzen; nicht aber in Wirtschaftshöfen oder an Abladestellen.
Hier gab es aus dem Umfeld der Logistik-Unternehmen Äußerungen, die zu einer gewissen Anspannung bei den Krankenhaus-Verantwortlichen führt: „Wenn Du eine Ladesäule an der Abladestelle hast, kommen wir zuerst zu Dir. Und wenn die auch noch kostenlos ist, werden wir Dich immer zuerst beliefern! Anderenfalls werden wir schauen müssen…!“
Das kann für Kliniken und Krankenhäuser, insbesondere in ländlichen Bereich interessant, aber auch existenziell sowie sehr kostentreibend sein. Denn der Aufbau einer Ladestelle für Lastkraftwagen und Transporter ist nicht gleichzusetzen mit den Pkw-Ladesäulen. Es ergeben sich vorab im Planungsbereich eine große Anzahl von Fragen: Gleichstrom oder Wechselstrom? Welche maximale Stromstärke und welche maximale Ladeleistung können wir anbieten? Welche Stromversorgung stellt unser Stromversorger bzw. Energiedienstleister zur Verfügung? Setzen wir auf die Wallbox oder die Ladesäule oder eine Schnellladestation? Welche Stecker werden wir benötigen? Wie lange wird der Lieferant an der Säule für den Ladevorgang stehen? Was passiert außerhalb von Anlieferzeiten bzw. nach Dienstende? Für wen wird die Ladestelle überhaupt zugänglich sein (müssen)? Die finale Frage ist aber natürlich die Kosten-Frage: Wie hoch werden die einmaligen Investitions und Beschaffungskosten abzüglich von Fördergeldern sein und wie hoch werden die jährlichen Betriebs und Unterhaltskosten ausfallen? Werden sich die Investitionskosten überhaupt rentieren, und wenn ja, nach welcher Laufzeit?
Investitions und Betriebskosten
Eine erste Einschätzung dazu gibt in der Publikation „E-Laden von Flotten, Ein Kompendium für den Aufbau einer E-Ladeinfrastruktur in Unternehmen, Version 1.0 Dezember 2018“ der Volkswagen AG, Group Fleet International (Dez.2018). Für das Laden von E-Lkw und E-Transportern wäre eine Schnellladestation zielführend. Somit würde, im Rahmen der örtlichen Gegebenheiten, technischen Anforderungen sowie bautechnischen und baurechtlichen Grundlagen, mindestens 115 000 Euro Investitionskosten pro Schnellladestation entstehen, aktuell teils ohne bzw. nur mit minimaler Förderung. Hinzu kommen jährliche Betriebskosten von rund 2 000 Euro. Bisher ungeklärt ist auch die Möglichkeit des Bezahlvorgangs, falls sich die Einrichtung für ein kostenpflichtiges Ladesystem entschieden hat.
Der Verband der Automolindustrie (VDA) hat sich ebenfalls mit der Thematik befasst und hat eine Studie zur Verfügbarkeit von Antriebsarten bei Serienfahrzeugen in Auftrag gegeben. Das Ergebnis ist für viele Vertretende des vollständigen Verbrennungsmotor-Verbots ernüchternd: E-Mobilität ist kaum berücksichtigt; eher sehen die VDA-Mitglieder die Zukunft schwerer Fahrzeuge oberhalb der Pkw-Gewichtsklasse bei der Wasserstoff-Technologie sowie Hybrid-Lösungen. Gerade hier besteht aber ein Investitionsstau aufgrund einer Fokussierung auf die E-Mobilität bei der Weiterentwicklung von Wasserstoff und anderen Hybrid-Lösungen sowie deren Lade und Versorgungsstrukturen.
Gesundheitseinrichtungen werden Kosten tragen müssen
Nichtsdestotrotz: Die Kosten für E-Mobilität sowie andere alternative Antriebslösungen (z. B. Wasserstoff-Antrieb) wird kein Hersteller oder Käufer, z. B. Logistiker, nur selbst tragen. Diese Zusatzkosten werden umgelegt. Die Kostenumlage wird auf verschiedenen Wegen erfolgen: Der Logistiker stellt seinen Mehraufwand dem Auftraggeber (= Lieferanten) in Rechnung. Der Lieferant/Hersteller wird bei seiner Kalkulation diese Mehrkosten natürlich auf den Verkaufspreis seines Produktes gegenüber dem Beschaffer (=Einkäufer) im Krankenhaus aufschlagen. Offiziell hat das bisher kein einziger Lieferant auf Anfrage bestätigen wollen; allerdings auch nicht ausschließen können. Dass diese Kosten-Anpassungen, insbesondere die Erhöhungen von Frachtkosten passieren, ist den meisten Einkäufern und Logistikern bei Import-Produkten aus Fernost mit Schiffs-Containern allgegenwärtig.
So werden höchstwahrscheinlich diese Mehrkosten für eine klimaneutrale und schadstoffarme E-Mobilität-Zukunft wieder beim Endkunden landen und somit auch durch Einrichtungen des Gesundheitswesens bezahlt werden (müssen). E-Mobilität ist damit eine mögliche Chance für das Klima; aber auch eine große finanzielle Herausforderung für Krankenhäuser.


