
Die gemeinsame Komponente und konstante Verbindung zwischen dem operativen wie auch strategischen Einkauf, den klinischen Anwendern und den Industriepartnern ist die Kommunikation. Egal war und ist es auch heute noch, ob es sich um die Krankenhaus-interne Kommunikation mit Anwendern, Fachabteilungen, dem OP oder den Pflegenden handelt; oder die externe Kommunikation mit zum Teil langjährigen Vertragslieferanten, Außendienst-Mitarbeitenden sowie auch neuen Marktbegleitern.
Das Telefon sowie das persönliche Gespräch prägten die Zusammenarbeit und Kommunikation über Jahrzehnte hinweg. Neue, moderne Kommunikationsformen fanden eher selten einen festen Platz im Alltag des Einkaufs. Das lag und liegt teilweise noch heute nicht an einer Ignoranz oder gar Desinteresse an modernen Medien und Formaten, sondern an eingeschränkten technischen Möglichkeiten und Gegebenheiten. Schließlich ist in vielen Einrichtungen immer noch das Fax-Gerät das einzige technische Gerät, das mit Digitalisierung im Einkauf in Verbindung gebracht wird.
Besuchsverbot aufgrund von Corona – und nun?
Innerhalb sehr kurzer Zeit wurde Anfang 2020 aufgrund von steigenden Infektionszahlen, einer sich rasch verbreitenden Covid-19-Pandemie und stetig ansteigender Inzidenz-Werte in fast allen Gesundheitseinrichtungen ein Besuchsverbot ausgesprochen. Neben Angehörigen und Freunden, Familienmitgliedern und Kollegen durften nun auch keine Außendienst-Mitarbeitenden mehr in Krankenhäuser und Rehakliniken. Auf der anderen Seite wurde zum Schutz der Mitarbeiter auch in sehr vielen Industrieunternehmen Homeoffice angeordnet und Dienstreisen bis auf Weiteres ausgesetzt. Der persönliche Austausch zwischen dem Einkauf und dem Lieferanten fand per se nicht mehr statt.
Die Videokonferenzen kommen
Innerhalb kürzester Zeit fanden die Betroffenen neue Kommunikationswege und Plattformen, um miteinander in den Austausch zu gehen. Es gab das neue Zauberwort in der Kommunikation: Virtuelle Meetings! Eine Suchanfrage bei einem bekannten Online-Suchdienst ergab für den Suchbegriff „Videokonferenzsysteme“ ca. 215 000 deutschsprachige Ergebnisse. Die Liste der Anbieter ist mittlerweile sehr lang geworden. Ebenso die diversen verschiedenen Qualitätsangebote, vom kostenlosen Standard bis zum kostenpflichtigen Premiumangebot ist alles vertreten.
Krankenhäuser und Unternehmen, welche sich frühzeitig und bereits vor der Corona-Pandemie mit dieser Kommunikationsform auseinandergesetzt haben, wissen um die Voraussetzungen für eine stabile und qualitativ hochwertige Videokonferenz (ViKo). Leider sind hier aber bis auf wenige Ausnahmen nur die Industrie und die vor allem global agierenden Lieferanten sehr gut aufgestellt. Zum Funktionsumfang bei Videokonferenztools sollte auch immer auf folgende Punkte geachtet werden:
- Wollen wir eine High-Definition- oder Low-Resolution-Videoqualität?
- Wie hoch ist die Höchstanzahl potenzieller Teilnehmer?
- Besteht die Funktion zum Teilen des Bildschirms?
- Kann ggf. an Dokumenten gemeinsam gearbeitet werden?
- Wie steht es um die Datenverschlüsselung und Datensicherheit?
- Ist eine Aufzeichnung der ViKo möglich?
- Wie hoch ist der Preis und welche Möglichkeiten der Vertragsbindung existieren?
- Wer bindet das neue Tool in das EDV-System ein und schult ggf. die Anwender?
Und wie klappt es in der Realität?
Es hat sich in den vielen Gesprächen und in den Rückmeldungen von Einkäufern zu diesem Thema gezeigt, dass in vielen Gesundheitseinrichtungen leider die technischen Grundvoraussetzungen wie Breitband-Internet oder wenigstens DSL fehlen oder der Datenstrom aufgrund technischer Einschränkungen nicht funktionieren. Andere berichten von einer Wartezeit bis zu 12 Wochen für die Implementierung einer entsprechenden Software in das Krankenhaus-eigene IT-System. In einigen Einkaufsabteilungen nutzten und nutzen noch heute Mitarbeitende ihre privaten Smartphones, Notebooks und/oder Tablets mit eigenem Datenvolumen für die Videokonferenzen mit Lieferanten und dem Außendienst. Wieder andere berichten, dass es in der ganzen Wirtschaftsabteilung ihrer Klinik gar kein bzw. nur ein Notebook mit Kamera gibt. Hier gibt es gerade für Krankenhäuser einen nicht unerheblichen Investitionsstau, um ihre Einkaufsabteilungen zeitgemäß auszustatten.
Einen weiteren interessanten Aspekt stellt die Kommunikation von Fachabteilungen wie OP-Leitung, Intensivstationsleitung oder Leitung eines Herzkatheterlabors mit den Lieferanten unter Corona-Bedingungen dar. Auch hier werden vermehrt Videokonferenzen durchgeführt. Dabei nutzen hier analog zu den Einkaufsabteilungen viele der spezialisierten Fachanwender ihre Smartphones bzw. andere mobile Endgeräte. Das hat mit den speziellen Anwendungsgebieten der Beschaffungen und Materialbestellungen dieser spezialisierten Bereiche zu tun.
Videokonferenzen – das neue Allheilmittel?
Rückblickend ergeben sich noch weitere erhebliche Auswirkungen, die direkt und auch indirekt im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und der Kommunikation zwischen Einkäufern und Lieferanten stehen. Laut der Seite www.airliners.de reduzierten sich die innerdeutschen Flüge der Marktteilnehmer wie Lufthansa, Easyjet, Ryanair und Germanwings um 1,7 Millionen Flüge und liegen derzeit bei etwa 40 Prozent im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019.
Die WirtschaftsWoche (www.wiwo.de) berichtete am 30.11.2020 über den Rückgang von Dienstreisen infolge von Corona auf fast null. Somit ist neben der Luftfahrt insbesondere das Hotel- und Gaststättengewerbe von dem Wegfall von Dienstreisen betroffen.
Da nun aufgrund von Videokonferenzen häufig keine Reisetätigkeiten mehr unternommen werden müssen, entstehen hier riesige Einsparungen bei den Reisekosten. Das umfasst Flüge, Mietwagen und Hotelkosten. Einzelne Gesprächsteilnehmer berichten von fast einer 100-prozentigen Kostenreduzierung für die Mitarbeiter, welche normalerweise zu Lieferantengespräche in Krankenhäuser reisen.
Der zweite große positive Faktor ist die Arbeitszeit. Viele geschäftlich Reisende nutzten Wartezeiten und die Reise- bzw. Fahrt- oder Flugzeiten für die Arbeit am Notebook. Hier stand in der Vergangenheit auch immer die unproduktive Wartezeit beim Kunden im kritischen Fokus. Nun besteht durch die Videokonferenz die Möglichkeit, auch mehrere Gespräche am Tag online zu führen, ohne dabei auf Störungen von außen und damit verbundenem Stress, etwa bei Verspätungen oder Stau, reagieren zu müssen.
Es wird hinter verschlossenen Türen und vorgehaltenen Händen in Krankenhäusern wie auch bei Industriepartnern immer mehr darüber diskutiert, dass diese Reduzierungen von Reisekosten und damit verbundenen Einsparpotenziale, die direkt mit Lieferantengesprächen verbundenen sind, beibehalten werden sollen.
Die Branche der Kommunikations-Coachs ist ebenfalls im Wandel und bietet bereits Schulungen für Videokonferenzen an. Hier geht es nicht um technische Unterstützungen und Erste-Hilfe bei einem Ausfall, sondern um überzeugende Auftritte in Videokonferenzen. Dabei spielt z. B. die richtige Kameraeinstellung, die Körpersprache vor der Kamera sowie die Wirkung von Mimik und Gestik auf dem Bildschirm eine neue Rolle. Das erstaunliche hier ist: Nur etwa 10 Prozent der Einkäufer nehmen ein solches speziellen Videokonferenz-Coaching in Anspruch, aber bereits über 75 Prozent der Lieferanten.
Best Practice: Verknüpfung von alter und neuer Kommunikation
Seit dem Rückgang der aktuellen Fallzahlen und dem Sinken der Inzidenz-Werte nehmen viele Einkaufsabteilungen und Industriepartner wieder Kontakt für Gespräche und Abstimmungen auf. Dabei zeichnet sich ein neuer Weg ab, der eine Verbindung von alter und neuer Kommunikation darstellt.
Die Vorteile der Videokonferenzen liegen vor allem bei allgemeinen Absprachen, kurzen Abstimmungen und ggf. einer Portfolio-Aktualisierung auf der Hand. Gerade aber bei kritischen und relevanten Themen im Lieferantengespräch, wie Vertragsgespräche und Reklamationen bzw. Nachforderungen, Rahmenvertragsvereinbarungen sowie bei den halbjährlichen bzw. jährlichen gemeinsamen Gesprächen ist der persönliche Austausch vor Ort immer noch entscheidend.
Daher kann nur eine Kombination der beiden Gesprächsarten zielführend sein und somit zu einem positiven Ergebnis für beide Seiten beitragen. Und es ist ein kleiner, aber wichtiger Schritt zur Digitalisierung im Gesundheitswesen.

