KonfliktpunktDigitalisierungsprojekte im Beschaffungswesen

Anforderungen, Agilität und Realität: Der Run auf Digitalisierungsprojekte in deutschen Krankenhäusern ist so hoch wie nie. Wie können Anforderungen in einem überschaubaren Zeitmanagement in Lösungen überführt werden, die langfristig und konsistent angelegt sind?

Digitalisierung
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Symbolfoto

Die Entscheidungsträger in deutschen Krankenhäusern planen Budgets für Digitalisierungsprojekte im Beschaffungswesen mit erhöhten Spielräumen. Damit gibt es seit Jahren einen Paradigmenwechsel, dass Gelder für sinnvolle digitale Prozesslösungen eingesetzt werden können. Doch nicht nur die Krankenhäuser selbst bauen sich neue Digitalisierungsstrategien in ihre Unternehmenssteuerungen ein. Seit Jahren versuchen Einkaufsgemeinschaften und Industrie eigene Ansätze und Lösungen zur Verbesserung von Prozessen im Beschaffungswesen zu etablieren. Immer wieder fallen dazu Schlagwörter wie: Interoperabilität in den Prozessen, Validierung von Stammdaten, Automatisierungsworkflows und künstliche Intelligenz getriebene Prozessbausteine.

Umfassende Digitalisierungsstrategie nötig

Das Fehlen einer 360-Grad-Digitalisierungsstrategie ist aus diesen Gründen umso schmerzhafter bei den Verantwortlichen spürbar. In vielen Projekten wird sich dezidiert auf ein Modul konzentriert, ohne dabei die Auswirkungen der gesamten Prozesskette zu betrachten. Dieser Fokus mag für einen Teilerfolg wichtig sein, aber in der Gesamtbetrachtung wird dadurch Geschwindigkeit verloren gehen.

Die Gratwanderung zwischen Agilität und Planungssicherheit ist in den meisten Projekten sichtbar zu spüren. Innerhalb eines Jahres können Anforderungen überholt sein und neue Lösungen und Standards etabliert werden. Entgegen der Meinung einer behäbigen und langsamen Entwicklung des Klinikeinkaufs wird durch Industrie, Einkaufsgemeinschaften und Verbände der Druck auf digitale Prozesslösungen erhöht.

Zusätzlich ist auf fehlende einheitliche Vorgaben, egal ob aus der Politik oder der Wirtschaft, z.B. beim Stammdaten-Format oder zu den verschiedenen Schnittstellen im Rahmen von Datenbanken hinzuweisen. Hier agieren Einkaufsgesellschaften und auch Industrie völlig heterogen, sodass es bei einem Wechsel eines Krankenhauses und/oder eines Trägers zu erheblichem Mehraufwand kommen kann. Gezielte Maßnahmen werden insbesondere in folgenden Segmenten gefordert.

  • Stammdatenmanagement
    • Identifikation von Artikeln
    • Katalogmanagement
    • Substitutionsrecherche
    • Metadaten zum Artikel (Bild, Dokumente, Eigenschaften)
  • Automatisierte Rechnungsverarbeitung
  • Anforderungssysteme / Shop-Lösungen
  • Vertrags-Konditionsmanagement
  • Belegmanagement auf Basis von Web-APIs
  • Applösungen auf Basis von Scanprozessen
    • Wareneingang
    • OP-Dokumentation

Diese Übersicht ist nur ein kleiner Einblick von vielen Möglichkeiten, Prozesse bei den beteiligten Akteuren zu optimieren. Doch wie ist diese Herausforderung zeit- und ressourceneffizient?

Lösungsansätze

Das Projektmanagement in deutschen Krankenhäusern zeigt sich extrem heterogen: Von agilem bis Wasserfall-Projektmanagement ist alles vertreten. Meistens kommen hier noch externe Beratungsstellen dazu. Jeder Projektteilnehmer sieht das Projektziel aus anderen Augen, wo die Validierung von Stammdaten im Einkauf oberste Priorität genießt ist für das medizinische Fachpersonal eine Bild- und Dokumenten-Information am Artikel entscheidend.

Verhältnismäßig neue Projektmanagement-Methoden wie Scrum stoßen zu-nächst auf Unverständnis. Dabei sehen wir in dieser Methodik die Möglichkeit auf wechselhafte Anforderungen gezielter einzugehen, um damit nicht Entwicklungsstände nach Jahren abzubrechen und neu aufzubauen. Die Betrachtung einer Projektierungsphase von Quartalen statt Jahren schärft den Fokus auf konkrete Meilensteine eines Projektplanes und lässt dabei die Anforderungen in Form von Anwendungsfällen als MVP (minimal brauchbares oder existenzfähiges Produkt, englisch: Minimum Viable Product) zu.

Je langfristiger und detaillierter die Anwendungsfälle beschrieben werden, desto langsamer entwickeln sich Gesamtprojektpläne, da die Gefahr des „Verlaufens“ sehr hoch ist. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, Projektplanungen im Detail für die ersten beiden Quartale anzulegen und in den restlichen Quartalen „grobe“ Meilensteine zu formulieren.

Die Betrachtung des MVP muss mit allen Projektteilnehmern gemeinsam erfolgen. Nur so ist eine Akzeptanz innerhalb des Projektteams möglich und bildet damit einen maßgeblichen Erfolgsfaktor in der Umsetzung.

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Der Fachverband für Einkäufer, Materialwirtschaftler und Logistiker im Krankenhaus e.V., femak, ist der Zusammenschluss von Mitarbeitern/Innen, die in den Bereichen der Versorgung in den Einrichtungen des Gesundheitswesens tätig sind. Dabei verstehen wir den Leitgedanken Wissen vernetzt sowohl als aktive Aufgabe unseres Verbandes, wie auch als Konsequenz, die sich aus dem Zusammenwirken aller Beteiligten ergibt.