Medical Device RegulationEuropa hat den Ernst der Lage erkannt

Die Kritik an der Medizinprodukte-Verordnung reißt nicht ab. In der EPSCO-Sitzung hatten die europäischen Gesundheitsministerien Gelegenheit, Auswege aus der MDR-Misere zu skizzieren. EU-Kommissarin Kyriakides verspricht nun Änderungsvorschläge für 2023.

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Die Lösungen für die Probleme bei der Umsetzung der EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) sind auf der aktuellen EPSCO-Sitzung der Gesundheitsministerien der europäischen Mitgliedsstaaten umfangreich diskutiert worden. Konkret ging es um die Verlängerung der Übergangsfristen und die Abschaffung der Abverkaufsfrist. „Die diskutierten legislativen Lösungsansätze sind ein wesentlicher Baustein zur Entzerrung des MDR-Zertifikatsstaus, der gemeinsam mit untergesetzlichen Maßnahmen zügig umgesetzt werden muss“, kommentiert Dr. Marc-Pierre Möll, Geschäftsführer und Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed). EU-Kommissarin Stella Kyriakides kündigte konkrete Änderungsvorschläge der MDR für Anfang 2023 an.

„Hier drohen Versorgungslücken“

Auch die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) e. V. spricht sich für eine Überarbeitung der Verordnung aus. „Die Re-Zertifizierung betrifft circa 24 000 Produkte und führt damit zu einer Überlastung der Benannten Stellen sowie zu erheblichem Aufwand für die Medizinproduktehersteller“, betont Professor Dr. med. Ernst Klar, Vorsitzender der Ad-hoc-Kommission Bewertung von Medizinprodukten der AWMF. „Diese haben bereits Produkte vom Markt genommen, von denen einige jedoch für bestimmte Operationen notwendig sind. Hier drohen Versorgungslücken.“ Eine weitere Gefahr für die Innovationskraft der Wissenschaft am Standort Deutschland besteht aus Sicht der AWMF in den hohen Kosten der Zulassungsprozesse.

Die AWMF sieht in den derzeitigen Vorgaben der MDR nicht zuletzt auch die Innovationskraft der Wissenschaft in Deutschland gefährdet. „Klinische Studien haben inzwischen ein erheblich größeres Gewicht für die Zertifizierung von Medizinprodukten gewonnen“, erklärt Professor Dr. Andreas Markewitz, Stellvertretender Vorsitzender der Ad-hoc-Kommission Bewertung von Medizinprodukten der AWMF. „Wir fordern deshalb, die finanziellen Rahmenbedingungen für klinische Studien aus öffentlichen Mitteln zu verbessern“, so der Mediziner weiter.

Die EU-Kommission hatte Ende Oktober 2022 unter anderem folgende aktuelle Zahlen zur MDR vorgestellt:

  • Von 80 unter den alten Richtlinien designierten Benannten Stellen haben 62 Stellen MDR-Anträge gestellt, aber es sind erst 36 Benannte Stellen unter der MDR notifiziert.
  • Rund 23 000 Zertifikate müssen noch in die MDR überführt werden. Über 75 Prozent (17.000) dieser Zertifikate laufen im Mai 2024 aus.
  • Bislang – Stand: Oktober 2022 – wurden 8 120 Anträge angenommen und 1 990 MDR-Zertifikate ausgestellt. Im April 2022 waren es 1 069 Zertifikate.
  • Die Bearbeitungszeit liegt bei keinem einzigen MDR-Zertifikat (QMS und Produktprüfung) unter einem Jahr. 82 Prozent der Zertifikate dauern zwischen 13 und 18 Monaten, 18 Prozent zwischen 19 und 24 Monaten.

Noch immer viele KMU ohne Benannte Stelle

Die Medizintechnik-Branche bereitet sich seit Jahren intensiv auf die MDR vor. Die Kosten der Umsetzung für die Branche liegen nach Schätzungen zwischen sieben und zehn Milliarden Euro. Die Branche hat massiv investiert, beispielsweise in zusätzliches regulatorisches Personal. Das MDR-System kann jedoch zum jetzigen Zeitpunkt seine Aufgaben auf unterschiedlichen Ebenen nicht erfüllen. Ein Hauptproblem bei der MDR-Implementierung sind die Kapazitätsengpässe bei den Benannten Stellen. Immer häufiger werden Anträge von Herstellern mangels Kapazität abgelehnt. Noch immer sind viele KMU ohne Benannte Stelle.

Parallel zu diesen wichtigen Vorschlägen müssen auch die untergesetzlichen Maßnahmen, die von der Medical Device Coordination Group (MDCG) Ende August veröffentlicht wurden, umgesetzt werden. „Gesetzgeberische und untergesetzliche Maßnahmen müssen Hand in Hand gehen, damit Bestandsprodukte (legacy devices) zeitnah in die MDR überführt werden können“, so der BVMed.

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