Kostensteigerungen und RegulatorikDeutsche MedTech-Industrie zunehmend unter Druck

Die deutsche MedTech-Industrie wird nach Einschätzung des Industrieverbands Spectaris das laufende Jahr nur mit einem schwachen realen Umsatzwachstum abschließen. Grund sind die gestiegenen Kosten in allen Bereichen.

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Preissteigerungen machen auch vor der MedTech-Industrie keinen Halt. Nach Einschätzung des Industrieverbands Specatris wird die Branche das Jahr nur mit einem schwachen realen Umsatzwachstum abschließen. Von Januar bis August 2023 lag der Gesamtumsatz laut Statistischem Bundesamt zwar nominal um mehr als 8,5 Prozent über dem Ergebnis des Vorjahreszeitraums. Gleichzeitig sind aber auch die Erzeugerpreise um 6,8 Prozent gestiegen. Neben den Kostensteigerungen, die auch durch die Umsetzung der MDR verursacht werden, belasten auch der Fachkräftemangel und die überbordende Regulatorik das Geschäft. 

„Obwohl der Umsatz steigt, sinkt die Ertragslage vieler Medizintechnikunternehmen aufgrund der gestiegenen Kosten in allen Bereichen“, betont Marcus Kuhlmann, Leiter Medizintechnik bei Spectaris, auf der Eröffnungspressekonferenz der Medizintechnikmesse MEDICA in Düsseldorf. Eine aktuelle Studie von Spectaris und der Unternehmensberatung enomyc bestätigt, dass die Reduzierung von Einkaufskosten in der Branche flächendeckend im Fokus steht. Gleichzeitig binden die Optimierung der Liquidität sowie die Einführung und Aktualisierung von IT-Systemen erhebliche Managementkapazitäten.

Internationales Geschäft spielt tragende Rolle

„Es zeichnet sich ab, dass das internationale Geschäft auch im laufenden und in den kommenden Jahren eine tragende Rolle spielen wird“, erklärt Kuhlmann. 2022 erwirtschafteten die rund 1.470 deutschen Medizintechnikhersteller mit ihren fast 160.000 Beschäftigten einen Umsatz von 38,4 Milliarden Euro, davon 67 Prozent im Ausland. In der ersten Jahreshälfte 2023 legten deutsche MedTech-Ausfuhren um mehr als zehn Prozent zu. Dabei verzeichneten insbesondere die Exporte nach Nordamerika und Asien deutliche Zuwächse. Bis 2027 rechnet die Beratungsgesellschaft Frost & Sullivan mit einem jährlichen Wachstum des Weltmarktes für Medizintechnik von fünf Prozent.

Auf dem deutschen Markt stellt die finanzielle Schieflage vieler deutscher Kliniken eine Herausforderung dar. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) warnte bereits zum Jahresbeginn vor einer Insolvenzwelle im stationären Bereich im zweiten Halbjahr 2023, von der bis zu 20 Prozent der Krankenhäuser betroffen sein könnten. Bei den Pflegeeinrichtungen sieht das Bild nicht anders aus: Im Jahr 2022 sind bereits 142 Pflegeeinrichtungen in die Insolvenz gegangen. Ein besorgniserregender Trend, der sich auch 2023 bislang fortgesetzt hat.

Strenge Vorschriften setzen Unternehmen unter Druck

Kuhlmann warnt daher: „Die Lage im Inland wird immer kritischer, verschärft durch einen Bürokratieaufwand, der durch die neue europäische Medizinprodukteverordnung ein besorgniserregendes Ausmaß angenommen hat, hohe Kosten verursacht und dringend benötigte Personalkapazitäten bindet.“ Immer wieder monieren Branchenverbände die Medizinprodukte-Verordnung (MDR) und die In-vitro-Diagnostika-Verordnung (IVDR). Sie seien kompliziert, bürokratisch und würden Innovationen ausbremsen, sind sich beispielsweise die beiden MedTech-Verbände BVMed und VDGH einig. Zuletzt forderten sie mit einem umfassenden Whitepapier eine zukunftsweisende Reform.

Hinzu kommt das geplante Verbot von PFAS-Chemikalien und anderen Hochleistungswerkstoffen, wodurch zahlreiche Medizinprodukte drohen vom Markt zu verschwinden, wenn keine Ausnahmen für essentielle Anwendungsbereiche und für unbedenkliche PFAS eingeräumt werden. „Dass der regulatorische Rahmen überwiegend in Brüssel gesetzt wird, darf keine Entschuldigung sein“, sagt Kuhlmann. Die deutsche Politik müsse ihren Einfluss schnell und entschlossen geltend machen, um den Gesundheitsstandort Deutschland und die Medizintechnik am Standort Deutschland zu erhalten. 

In der 16. Ausgabe des Jahrbuches „Die deutsche Medizintechnik-Industrie“, das zur Medica präsentiert wird, liefert der Verband aktuelle Marktdaten und Beiträge zu MDR, PFAS-Verbot, zur Krankenhausstrukturreform und zum Telemonitoring. 

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