
Die Leistungserbringung im Krankenhaus basiert auf der Zusammenführung unterschiedlicher Akteure, Berufsgruppen, Professionen, Ressourcen und Informationen. Dabei wird die Patientenversorgung maßgeblich durch die Patienten selbst sowie die involvierten Health Professionals bestimmt. In der allgemeinen Wahrnehmung kommt dabei der medizinischen Versorgung eine besondere Aufmerksamkeit zu. Diese ist sicherlich berechtigt, vernachlässigt jedoch sowohl den quantitativen als auch den qualitativen Beitrag der Pflege zur Patientenrekonvaleszenz und Wertschöpfung im Krankenhaus. Dies wird sowohl über den personellen Anteil, in der Regel sind mehr als 40 Prozent der Krankenhausmitarbeiter Pflegekräfte, als auch hinsichtlich des Anteils der Patienten-Health-Professional-Kontakte und -Interaktionen deutlich.
Während durch die medizinischen Health Professionals grundsätzliche Entscheidungen sowie spezifische Maßnahmen bezüglich der Patientenversorgung erfolgen, sorgen die Pflegekräfte für die kontinuierliche Betreuung, Begleitung und Versorgung der Patienten über den gesamten Krankenhausaufenthalt hinweg. Hieraus ergibt sich eine zentrale Verknüpfung und Bedeutung für den arbeitsteiligen und fragmentierten Patientenversorgungsprozess.
Tätigkeiten und Fokus der Pflegekräfte
Im Zentrum der Leistungen der Pflege steht der Patient. Dabei erbringen die Pflegekräfte Pflege und Betreuungsleistungen in sämtlichen Fachabteilungen eines Krankenhauses. Hierzu gehören gleichermaßen Aktivitäten wie beispielsweise Wundversorgung, Arzneimittelversorgung, Infusionsgabe oder auch Mithilfe bei Diagnostik und Therapie. Darüber hinaus assistieren sie anderen Health Professionals im Rahmen der Patientenversorgung sowie unterstützen die Patientinnen und Patienten in Verbindung mit Bettlägerigkeit, Mobilität, Nahrungsaufnahme, Hygiene oder auch Sozialverhalten.
Weitere Einflüsse auf die Pflegetätigkeiten ergeben sich aus den jeweiligen historisch gewachsenen Strukturen, den baulichen Ausprägungen (z.B. Mehrbettzimmer, Raumkonzept), der Ermittlung des Pflegeaufwands (z. B. Barthel-Index, Pflegepersonalregelung), den definierten Versorgungsstandards (z.B. Operationen und Prozedurenschlüssel, Pflegekomplexmaßnahmen-Score) sowie den etablierten Arbeitszeitmodellen (z.B. Dreischichtensystem, Modell 7/7) und den angewandten Pflegekonzepten (z.B. Interaktionsmodell, Pflegeergebnismodell).
Im Zentrum der Leistungen der Pflege steht der Patient.
In Summe ergibt sich ein komplexes Tätigkeits und Einflussspektrum, das durch eine Zunahme von belastender Leistungsverdichtung, professionsfremden Tätigkeiten und erhöhtem Dokumentationsaufwand gekennzeichnet ist. Gleichzeitig wird vielfach ein Verlust an persönlicher Zuwendung und Interaktion zwischen Pflegekräfte und Patienten attestiert und intensiv diskutiert. Hinzu kommen eine Veränderung der Leistungserbringung (z.B. verkürzte Verweildauer, erhöhte Bettenauslastung) sowie ein Wandel bezüglich der Patientenanforderungen (z.B. Multimorbidität, Serviceerwartungen).
Pflegelogistik
Vergleichbar mit anderen Branchen und Bereichen wird angesichts der auftretenden Komplexität und des höheren Pflegeaufwandes der Patienten im Krankenhaus verstärkt auf die Möglichkeiten der Logistik und Prozessoptimierung geachtet. Insofern bietet sich die intensivierte Auseinandersetzung mit der Pflegelogistik an. Als Teil der Pflege und der Logistik umfasst die Pflegelogistik die Planung, Steuerung, Durchführung und Kontrolle der innerbetrieblichen Transport-, Umschlag und Lagerungsprozesse bzw. Aktivitäten durch Pflegekräfte. Ferner bezieht sich die Pflegelogistik auf einen abgegrenzten Bereich (z.B. Station, Krankenhaus, Versorgungsgebiet).
Ziel der Pflegelogistik ist es, neben der Schaffung von Transparenz, die Pflegekräfte im Hinblick auf ihre aufgaben und professionsbezogenen Tätigkeiten bestmöglich zu informieren, zu qualifizieren und zu koordinieren. Die Pflegelogistik wird dabei durch die unterschiedlichen patienten-, mitarbeiter- und leistungsbezogenen Prozesse bestimmt.
Pflegearbeit ist Laufarbeit
Betrachtet man die aktuelle Ausgestaltung der Tätigkeiten von Pflegekräften im Krankenhauswesen, so wird deutlich, dass diese ein breites Spektrum an Ausprägungen und Spezialisierungen aufweisen. Ausgehend von der Zielsetzung, dass die Pflegekräfte neben körpernahen Pflegetätigkeiten, komplexem und spezialisiertem pflegerischem Handeln auch qualifizierte Tätigkeiten im Rahmen der Mitwirkung bei ärztlicher Diagnostik und Therapie erbringen, wird der pflegerische Alltag noch stark durch professionsfremde Tätigkeiten dominiert. Zu den professionsfremden Tätigkeiten in der Pflege zählen u. a. Reinigungsaktivitäten, hauswirtschaftliche Tätigkeiten, Bestell-, Transport und Einlagerungsdienste von Ge und Verbrauchsgütern sowie Such-, Hol und Bringe-Aktivitäten.
Hieraus ergibt sich ein entsprechend hoher Anteil an Bewegungs- und Laufleistungen, die sowohl zu einer physischen als auch zu einer entsprechenden psychischen Belastung führen. Ziel muss es daher sein, durch die gezielte Entlastung der Pflegekräfte von professionsfremden Tätigkeiten sowie durch die verbesserte Disposition der Pflegelogistik, u. a. die knappen Pflegeressourcen zielgerichteter einzusetzen sowie die Arbeitszufriedenheit der Pflegekräfte zu verbessern.
Pflegearbeit wird Technikarbeit
Aufgrund der bestehenden Herausforderungen wurde und wird auch im Pflegebereich bereits der Technikeinsatz etabliert, sodass sich dieser zunehmend zu einem soziotechnischen Ensemble entwickelt. Dieses umfasst u. a. technische Teilkomponenten wie Hebe und Tragehilfen (z.B. hydraulisches Krankenhausbett, Patientenlifter), mobile und digitale Dokumentationssysteme (z.B. Stationspflegewagen, elektronische Fieberkurve) sowie unterschiedliche medizintechnische Ge und Verbrauchsmittel (z.B. Infusionsgeräte, arterielle Zugangssysteme). Ein weiterer Ansatz zur Verbesserung der aktuellen Situation ist in der Regel der Ruf nach mehr Mitarbeitern. Dies ist jedoch allein schon aufgrund des allgemeinen Mangels an Pflegekräften selten realisierbar. Daher wird zunehmend auf Optimierungsansätze wie Transparenzschaffung, Prozessvisualisierung und Mitarbeiterqualifikation gesetzt.
Ferner werden durch eine qualifiziertere Disposition eine verbesserte Kommunikation, Koordination und Kooperation zwischen den unterschiedlichen involvierten Akteuren angestrebt. Darüber hinaus bieten die verstärkte Digitalisierung und Automation im Rahmen bzw. zur Unterstützung der Pflegetätigkeiten die Möglichkeit der Sicherstellung und Verbesserung der Pflegeleistungen im Krankenhaus. Dabei reicht das Spektrum von der Nutzung von PCs, Tablets und Mobil Devices über App und Software-Einsatz sowie Avatar-, Sensorik und Sprachsteuerung bis hin zu autonomen Systemen und sozial assistierende Robotik (SAR).
Prozess Re-Design und digitale Transformation
Betrachtet man die aktuell noch stark analog basierten sowie durch menschliche Arbeitsleistung dominierten Pflegetätigkeiten und -prozesse, so wird insbesondere im branchenübergreifenden Vergleich deutlich, dass hier noch vielfältige Verbesserungspotenziale (z.B. abgestimmte Schnittstellen, automatisierte Dokumentation, kombinierte Mensch-Mensch-Maschinen-Interaktion) schlummern. Anhand der Service-Blueprint-basierten Wertstromanalyse der Nachtschicht im Krankenhaus wird deutlich, dass die Lösungsansätze sich nicht auf einzelne Aktivitäten, Bereiche oder Professionen konzentrieren, sondern dass diese sich über das gesamte vielschichtige System bzw. die komplexen Prozesse verteilen.
Es gilt daher, den digitalen Wandel, d. h. den umfassenden und mehrwertstiftenden Einsatz von Technologien, über eine nachhaltige Neugestaltung der Führungs-, Geschäfts und Unterstützungsprozesse zu realisieren. Hierzu ist es erforderlich die Prozessumgestaltung (z.B. mittels Lean Hospital Management) grundsätzlich und umfassend zu gestalten, wobei es nicht darum geht die Pflegekräfte zu ersetzen, sondern vielmehr diese in ihrer professionsbezogenen Arbeit entsprechend zu unterstützen.
Smart Hospital Nursing
Knappe Ressourcen, veränderte Anforderungen und steigende Arbeitsbelastung in der Krankenhauspflege erfordern neue Handlungs und Gestaltungsansätze. Es gilt Maßnahmen und Initiativen zu setzen, die die Krankenhauspflege spezialisierter, intelligenter und patienten- sowie mitarbeiter-orientierter ausgestaltet.
Hierzu bieten Digitalisierung und Automation sowie der verstärkte Robotik-Einsatz die Möglichkeit über Kommunikations und Interaktionstechnologien (z.B. Sprachsteuerung), physische und kognitive Assistenzsysteme (z.B. intelligente Pflegebetten, VR-Brillen) sowie digitale Dokumentation und Monitoring (z.B. digitale Dienstplangestaltung, digital Health) und mobile Robotik (z.B. Search and Rescue, Desinfektionsroboter) die Pflegekräfte nicht nur von professionsfremden, monotonen und belastenden Tätigkeiten zu entlasten, sondern auch die unterschiedlichen Berufsbilder und Tätigkeiten mittels anspruchsvollem und ausdifferenziertem Technologieeinsatz aufzuwerten.
Dieser Artikel erschien in der Klinik Einkauf Ausgabe 5/21.




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