
Arbeitszeit, Lagerfläche und Kapital – das sind drei wertvolle Güter, mit denen jedes Krankenhaus optimal haushalten muss. Im täglichen Einsatz übernehmen Ärzte und Pflegekräfte aber oft fachfremde und zum Teil zeitraubende Aufgaben, die nicht direkt mit der Patientenversorgung zusammenhängen. Bis zu 20 Prozent ihrer wertvollen Arbeitszeit wird nicht effizient für logistische Prozesse eingesetzt. In Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels ist der fachgerechte Einsatz des medizinischen Personals aber von immenser Bedeutung. Eine effiziente Logistik entlastet daher das medizinische Fachpersonal und spart Ressourcen im Krankenhaus.
Herausforderungen an die Krankenhauslogistik
Bei Betrachtung der logistischen Infrastruktur eines Krankenhauses sind neben den medizinisch-pflegerischen Kernbereichen (Stationen, Funktionsabteilungen, OP, zentrale interdisziplinäre Notaufnahmen) auch die zuliefernden Service-Bereiche (Apotheke, Materiallager, Labor, Zentralsterilisation, Speisen- und Wäscheversorgung) zu berücksichtigen. Das zentrale Ziel der Krankenhauslogistik ist die optimale Ver- und Entsorgung aller medizinisch-pflegerischen Bedarfs- und Leistungsstellen unter Beachtung der rechtlichen, medizinischen, hygienischen, qualitativen, zeitlichen und wirtschaftlichen Aspekte.
Auf die Logistik im Krankenhaus wirken deshalb zahlreiche Einflussfaktoren, wie beispielsweise medizinische, strukturelle, technische und organisatorische Anforderungen. So muss die Logistik nicht nur leistungsfähig, sondern auch jederzeit den Bedürfnissen flexibel anpassbar sein.
Neue Wege in der Versorgung und Logistik
Neue Trends und Entwicklungen sowohl in den Kernprozessen der Krankenhäuser als auch innerhalb der Krankenhauslogistik gehen mit vielfältigen Veränderungen der Versorgungsstrukturen einher. Um die daraus abzuleitenden Maßnahmen optimal umzusetzen, entschloss sich Vivantes zum Neubau eines zentralen Versorgungs- und Logistikzentrums für seine Einrichtungen, die rund ein Drittel der Berliner Patienten im gesamten Stadtgebiet behandeln. Das sind insgesamt neun Krankenhäuser an acht Standorten, 18 Pflegeheime, zwei Seniorenwohnheime, eine ambulante Rehabilitation, 13 Medizinische Versorgungszentren, ein Hospiz sowie mehrere Tochtergesellschaften, verteilt über das gesamte Berliner Stadtgebiet.
2017 erwarb das Unternehmen im Berliner Westen in Spandau ein Grundstück. Nach umfangreichen Vorarbeiten startete die Planung im Oktober 2017, im November 2019 begannen die Bauarbeiten. Rund 20 Monate nach dem ersten Spatenstich eröffnete Vivantes im September 2021 ein modernes Versorgungs- und Logistikzentrum mit zehn Meter hohen Hallen aus Stahlbeton mit Trapezblech. Dank eines flexiblen Stütze-Riegel-Systems lassen sich die knapp 8400 Quadratmeter Geschossfläche des Neubaus leicht umbauen und bei Bedarf neu ausrichten. Die Kosten des Gesamtprojektes beliefen sich auf 67 Millionen Euro. Mit circa 27 Millionen Euro wurden rund 40 Prozent der Gesamtkosten aus Fördermitteln finanziert.
Der Gebäudekomplex bündelt die bisher dezentral über das Stadtgebiet verteilten Logistik- und Versorgungsaufgaben an einem Standort.
Der Gebäudekomplex bündelt die bisher dezentral über das Stadtgebiet verteilten Logistik- und Versorgungsaufgaben an einem Standort. Das Areal gliedert sich in drei Bereiche: ein Speisenverteilzentrum, ein Archiv analoger Patientenakten mit Scanzentrum und ein Lager für Verbrauchsmaterialien sowie ein Parkdeck inklusive Ladeinfrastruktur, eine Sprinklerzentrale und ein Blockheizkraftwerk.
Das Blockheizkraftwerk stellt die Grundlast der benötigten Wärme und des Stromverbrauches zur Verfügung. Durch Kraft-Wärme-Kopplung ergibt sich ein hoher Gesamtwirkungsgrad. Zwei Kompressionskältemaschinen produzieren ganzjährig eine konstante Menge an Kälteenergie zur Versorgung des Speisenverteilzentrums und geben entsprechende Mengen an Abwärme ab. Zwei Fotovoltaikanlagen mit insgesamt 1266 Solarmodulen auf dem Dach erzeugen auf über 2300 Quadratmetern mehr als 430 000 Kilowattstunden Solarstrom jährlich. Überschüssiger Strom wird in das öffentliche Versorgungsnetz eingespeist. Der Klinikbetreiber spart so über 204 Tonnen CO2 jährlich ein.
Aus dem neuen Speisenverteilzentrum heraus erfolgt die Versorgung von Patienten für drei Klinikstandorte und die Senioren aus elf Häusern der Vivantes Hauptstadtpflege. Die moderne Anlage setzt durch einen hohen Grad an Digitalisierung und Automatisierung neue Maßstäbe. Im Archiv bewahrt der Konzern rund 4,6 Millionen Patientenakten in einer elektrisch motorischen Rollregalanlage auf. Auch wenn die Kliniken Patientendaten seit 2015 digital erheben, gibt es aus vorangegangenen Jahrgängen noch viele Papierakten.
Optimiertes Lagerkonzept
Eine besondere Herausforderung für eine zentrale Materialwirtschaft in einem Krankenhausverbund liegt im weitgefassten Artikelspektrum (klassischer medizinischer Bedarf, Wirtschafts- und Verwaltungsbedarf, Büromaterialien, Desinfektionsmittel). Aus der Analyse der vorhandenen Lagerstrukturen und des genauen Artikelspektrums wurde ein optimiertes Lagerkonzept entwickelt. Um die Abläufe im neugestalteten Logistikzentrum optimal zu etablieren, war eine individuelle Lager- und Layoutplanung inklusive Technikauswahl und eine auf die zentrale Materialwirtschaft abgestimmte Materialfluss- und Transportplanung Voraussetzung.
Im Ergebnis werden nun auf rund 3750 Quadratmetern bebauter Grundfläche Materialien gelagert und für die Versorgung der Krankenhäuser und Pflegeheime zusammengestellt. Der Lagerbestand umfasst rund 800 Tonnen. Die zentrale Materialwirtschaft verfügt über eine Hochregalanlage (ca. 2400 Palettenstellplätze, siehe Abbildung) mit Reservezonenverwaltung und eine Verschieberegalanlage über zwei Ebenen (ca. 4900 Fachbodenstellplätze). Sie weist zudem gesonderte Flächen für Gefahrgut und Sterilgüter aus und wird durch ausreichend dimensionierte Flächen für den Warenein- und -ausgang sowie die Retourenbearbeitung ergänzt.

Prozessunterstützung durch Digitalisierung und Technik
Gleichzeitig wurde eine Lagerverwaltungssoftware eingeführt. Dieses Programm ermöglicht es unter anderem, mithilfe von Barcodescannern beleglos zu kommissionieren und die Reservezonen automatisch zu verwalten. Durch eine bessere Synchronisation des Informations- und Warenflusses wird neben einer optimalen Bestandsführung auch eine effektive Lagerflächennutzung, Umschlaggeschwindigkeit und hohe Kommissionierqualität sowie eine Überwachung des Materialflusses erreicht. Ebenso werden durch die etablierte Software die komplexen, logistischen Abläufe und saisonale Spitzen besser bewältigt und Lieferzeiten verkürzt.
Rein wirtschaftlich motivierte Lagerreichweiten sind insbesondere im Gesundheitswesen problematisch. Die Standortkonzentration ermöglicht dagegen die artikelspezifisch zentral gesteuerte dynamische Lagerhaltung und Beschaffung. So können beispielsweise situationsbedingt ausgewählte Durchläufer zu Lagerartikeln umgewandelt oder spezifische Lagerreichweiten erhöht werden. Unterstützt wird das Ganze durch ein zentrales Bestandsmonitoring und Beschaffungscontrolling, um unnötigen Verfall zu vermeiden, aber auch zeitgerecht auf gestörte Lieferketten zu reagieren.
Im Bereich der zentralen Materialwirtschaft unterstützen nun Flurförderfahrzeuge die logistischen Prozesse. Schubmaststapler werden für die Ein- und Auslagerung von Paletten genutzt, mit Elektro-Niederhubwagen werden diese dann ergonomisch und schnell bewegt. Elektro-Kommissionierer erleichtern das Zusammenstellen der Waren. Dadurch werden die Mitarbeiter sowohl bei den Wegestrecken als auch bei Lastenbewegungen spürbar entlastet. Der Einsatz von Barcodescannern und mobilen Etikettendruckern spart zudem Zeit bei der Kommissionierung.
Die verbesserten technischen und organisatorischen Arbeitsabläufe garantieren so den Warenausgang von täglich 280 Rollcontainern. Das entspricht 34 Tonnen Ware oder 17 LKW-Ladungen, mit denen die angeschlossenen Kliniken, Senioreneinrichtungen und sonstigen Bereiche zuverlässig versorgt werden.
Fazit
Die Zentralisierung der Logistik ermöglichte den Freizug von Lagerflächen an den einzelnen Klinikstandorten und deren neue Nutzung für medizinische Zwecke. So wurde die Wertschöpfung im Kernbereich des Unternehmens gestärkt.
Mit der Investition in das Versorgungs- und Logistikzentrum, den optimierten Logistikprozessen sowie einer adäquaten und vor allem flexiblen Bevorratungsstrategie von Verbrauchsmaterialien ist Vivantes gut für die Zukunft aufgestellt. Die Krankenhauslogistik steht dennoch weiterhin vor der Herausforderung, mit der medizinischen Entwicklung Schritt zu halten, Versorgungssicherheit zu gewährleisten, hohe Qualität zu sichern und Effektivität zu erreichen, dabei auch nachhaltig zu sein und die steigende Komplexität zu bewältigen.




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