
Die seit einem Jahr geltende europäische Verordnung für Medizinprodukte, die Medical Device Regulation (MDR), muss in der Umsetzung nachgebessert werden: Der Aufwand für Re-Zertifizierungen von bereits auf dem Markt existierenden Produkten sei zu verringern. Außerdem sollte es eine Erprobungsregelung für innovative Medizinprodukte geben, die eine schrittweise Marktzulassung ermöglicht. Das ist Thema eines Symposiums der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF).
Fachleute aus Medizin und Technik diskutieren dort, wie die Umsetzung angelaufen ist und wie sie verbessert werden kann. Ziel der Verordnung ist es, die Sicherheit von Medizinprodukten zu erhöhen. Die regulatorischen Mehraufwände, die sich aus der Verordnung ergeben, können jedoch dazu führen, dass Hersteller von Medizinprodukten ihre Produktpallette verkleinern und dass Innovationen durch die hohen Aufwände der Zulassung gebremst werden.
Mehr Praxistauglichkeit muss her
Die AWMF kritisiert die verschärften Anforderungen bei der Zertifizierung, Re-Zertifizierung und der Nachverfolgung des Produkts über den gesamten Lebenszyklus. „Die neuen Regelungen tragen wesentlich dazu bei, die Patientensicherheit zu verbessern, was eindringlich zu begrüßen ist. Wichtig ist jedoch, dass die Umsetzung der MDR praxistauglich ist und Innovationen weiterhin möglich bleiben. In diesen beiden Bereichen zeigt sich ein Jahr nach Inkrafttreten der Neuregelung jedoch noch erheblicher Verbesserungsbedarf“, erläutert Professor Dr. Ernst Klar, Vorsitzender der Ad-hoc Kommission. Dass die Beeinträchtigung der Innovationstätigkeit und der Prozess der Zertifizierung negative Auswirkungen haben können, geht auch aus derUmfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) hervor.
AWMF schlägt Erprobungsregelung zur Aufwandsreduzierung vor
Für die Hersteller sei der Aufwand dieser Re-Zertifizierung teilweise so hoch, dass sie das Produkt vom Markt nehmen und ihre Produktpaletten schmälern. Das wiederum kann zu Versorgungslücken führen, betont Klar. Dies betreffe insbesondere Nischenprodukte, da sich die Aufwände durch die geringe Fertigungszahl nicht refinanzieren ließen. Für die – bisher glücklicherweise nur wenigen – Fälle, wo einzelne Medizinprodukt drohen ohne Alternative vom Markt zu verschwinden, empfiehlt die AWMF, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Produkte begutachten und eine in der MDR vorgesehene Sonderregelung prüfen, damit die Patientenversorgung nicht gefährdet wird.
Das Volumen und der Aufwand der anstehenden Rezertifizierungen behindert außerdem den Marktzugang und Zertifizierung von innovativen Medizinprodukten. Die AWMF schlägt deshalb eine Erprobungsregelung vor, die helfen soll, den Marktzugang für innovative Produkte zu beschleunigen. „Die Produkte könnten so schrittweise und unter kontrollierten Bedingungen eingeführt werden. So können klinische Einrichtungen neue Medizinprodukte nicht nur in klinischen Studien testen, sondern auch mit hoher Praxisnähe in Registern verfolgen, dadurch qualifizierte Daten sammeln und die Ergebnisse später den Benannten Stellen für die weitere Zulassung zur Verfügung stellen. Die Produkte könnten anhand der in die Register gespeisten Datenpakete fortlaufend bewertet werden und ein ‚Rolling Review‘ ermöglichen. Dies bietet die Chance, dass Patientinnen und Patienten schon vor der allgemeinen Marktzulassung von innovativen Produkten profitieren könnten, selbstverständlich unter engmaschiger Kontrolle“, so Klar.
Medizinprodukte zukünftig durch Unabhängige prüfen lassen
Register nehmen eine zentrale Rolle in der MDR ein. Deshalb diskutieren Expertinnen und Experten der AWMF im Rahmen ihres Symposiums auch, wie sich die Zuverlässigkeit von Registerdaten erhöhen lässt. „Hierfür ist es unabdingbar, dass es eine verpflichtende Teilnahme aller Akteure an Registern gibt. Außerdem müssen auffällige Medizinprodukte durch unabhängige Sachverständige und nicht wie bisher primär durch den Hersteller geprüft werden“, betont Professor Dr. Henning Schliephake, stellvertretender Präsident der AWMF.




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