AutomatisierungKlinische Transportlogistik im technologiegetriebenen Umbruch

Automatische Warentransportanlagen (AWT) kommen im Klinikalltag zunehmend zum Einsatz. Durch technische Innovationen wird sich der Automatisierungsgrad immer weiter erhöhen und die Durchdringung der verschiedenen Anwendungsbereiche in Krankenhäusern steigen.

Autonomer Lager-Roboter
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Symbolfoto

Aus den vielfältigen Ver- und Entsorgungsprozessen eines Krankenhauses ergibt sich ein heterogenes Anforderungsprofil für die Materialtransporte und die dazu benötigte technische und bauliche Infrastruktur. Während zu Beginn der Automatisierung von Materialtransporten in großen Krankenhäusern zumeist stationäre Fördertechniken wie Elektrohängebahnen oder Rohrpostanlagen eingesetzt wurden, kommen heute zunehmend fahrerlose Transportsysteme (FTS) zum Einsatz. Ein maßgeblicher Vorteil der FTS gegenüber stationärer Fördertechnik ist die Flexibilität des Systems, verbunden mit einem deutlich geringeren Systemausfallanteil bei Störung eines Fahrzeugs sowie die Möglichkeit der einfachen Erweiterbarkeit bei Um- und Anbauten.

Derzeit beschränkt sich das Anwendungsgebiet von FTS in Krankenhäusern noch überwiegend auf Transporte von großvolumigen und teilweise schweren Lasten über längere Strecken. Insbesondere die Transporte zwischen den Versorgungseinheiten (Zentralküche, Zentrallager, Apotheke, Wäscherei, Abfallhof, etc.) und den Pflege- und Funktionsbereichen stehen dabei im Fokus. FTS bieten den großen Vorteil, dass die bauliche Infrastruktur so gestaltet werden kann, dass mit Unterstützung einer intelligenten Steuerung eine funktionsübergreifende Nutzung möglich ist. So können Aufzugskabinen und Flure – unter Berücksichtigung von Sicherheitsregeln – sowohl für FTS, als auch für Betten- oder Personentransporte genutzt werden.

Automatisierte Transportlogistik im Krankenhaus

Unterstützt wird diese Entwicklung insbesondere durch Innovationen und technische Neuerungen im Bereich der Sensorik und Navigation bis hin zum Einsatz von künstlicher Intelligenz und 5G, die zukünftig eine erweiterte und sicherere Nutzung der gemeinsamen Infrastruktur von Menschen und Maschinen ermöglichen. Mit dem Einsatz von 5G-Technologien können beispielsweise Remote-Assistance-Funktionen (Fernsteuerung-Funktionen) eingeführt werden, die FTS bei der Bewertung und Behebung von Fahrkursproblemen wie z. B. Hindernissen im Fahrweg unterstützen können. Mittels der Anwendung künstlicher Intelligenz können die Ergebnisse für eine intelligentere und resilientere Transportsteuerung genutzt werden. So ist es zunehmend möglich, dass fahrerlose Transportfahrzeuge bis in die Pflegestationen und in andere Funktionsbereiche fahren können. Zudem hat sich der Bereich der Kommunikation zwischen Menschen und Maschinen (Mensch-Technik-Interaktion) in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt, was u. a. an den immer leistungsfähigeren Sensoren und zuverlässigeren Sprachassistenzsystemen erkennbar ist. Dieses führt dazu, dass sich der Einsatz und die Ausführung der FTS in Zukunft differenzierter gestalten lassen.

Kleinlastfahrzeuge und Serviceroboter

Neben den FTS für großvolumige und schwere Lasten können fahrerlose Kleinlastfahrzeuge oder Serviceroboter die kleinvolumigen Materialtransporte übernehmen, die derzeit entweder mit Rohrpostanlagen oder manuell durch Hol- und Bringdienste transportiert werden. Rohrpostanlagen werden dabei insbesondere für den Versand von Laborproben, Schnellschnitten oder Blutprodukten eingesetzt. Hier bieten sich fahrerlose Kleinlastfahrzeuge als Alternative an, denn diese können im Vergleich zu Rohrpostanlagen auch in Bestandsgebäuden aufwandsärmer integriert werden und bieten eine höhere Flexibilität im Falle eines notwendigen Kapazitätsausbaus.

Der Trend zum Einsatz von autonomen Kleinlastfahrzeugen wird sich jedoch nicht nur aufgrund der technologischen Weiterentwicklung und der sinkenden Hardwarekosten herausbilden. Auch die veränderten prozessualen Anforderungen in Krankenhäusern hinsichtlich höherer Flexibilität und Agilität sind Treiber dieser Entwicklung. Steigende Anforderungen an die Versorgungssicherheit der Patienten in Verbindung mit strengeren gesetzlichen Rahmenbedingungen und der gleichzeitigen Ökonomisierung im Gesundheitswesen führen dazu, die vorhandenen Strukturen zu hinterfragen und den Einsatz moderner Logistikkonzepte zu prüfen. Diese ermöglichen eine zunehmende, patientenindividuelle Versorgung und umfassen beispielsweise die OP-Versorgung mit Fallwagen oder die Arzneimittelversorgung mittels Unit- Dose-Verfahren. Die Einführung solcher Konzepte erfordert zum Teil maßgebliche Änderungen an den Logistikstrukturen. So verändern sich im OP-Bereich oder auf den Pflegestationen ebenso wie im Bereich der Versorgungszentren eines Krankenhauses sowohl die Lager- und Handlingflächen als auch die Materialbestände.

Autonome Kleintransportfahrzeuge für Unit-Dose-Versorgung

Darüber hinaus erfordern diese Konzepte durch die Anzahl und Dimensionierung der Transporteinheiten auch Veränderungen an den Transportmitteln. Konkret bedeutet das am Beispiel der Unit-Dose-Versorgung, dass der Bestand an Medikamenten auf den Stationen geringer wird, aber die Versorgung mit patientenindividuellen Medikamenten eine kleinteiligere Zustellung erfordert. Die großvolumigen Transportcontainer der FTS sind dafür überdimensioniert und nicht mehr geeignet. Die Rohrpostsysteme hingegen bieten zwar die Möglichkeit, Unit-Dose-Einheiten zu versenden, würden aber schnell an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, da sie in der Regel für diese zusätzlichen Transportaufkommen nicht ausgelegt sind. Kleine, autonome Transportfahrzeuge können diese Lücke füllen und sind für diese Transportaufgaben bestens geeignet.

Weitere Beispiele für zukünftige Anwendungsbereiche sind der Transport innerhalb von Versorgungseinheiten wie Laboren, Zentralapotheken oder den Aufbereitungseinheiten für Medizinprodukte (AEMP). So können in einer AEMP Kleinlastfahrzeuge zum internen Transport der Siebe und Sterilgüter eingesetzt werden, wie es beispielsweise für zwei dänische Krankenhäuser bereits erfolgt.

Erweitert sich vor allem der Mensch-Maschine- Interaktionsgrad, spricht man von Servicerobotern, deren Einsatzbereiche meistens auf den Pflegestationen und in den Funktionsbereichen zu finden sind. Der entscheidende Unterschied zu den FTS und Kleinlastsystemen liegt hier im interaktiven Zusammenspiel mit Mitarbeitern und Patienten. Serviceroboter transportieren u. a. die Speisen zum Patienten oder dienen als intelligente Pflegewagen zur Unterstützung und Entlastung der Pflegekräfte. Daraus leiten sich die hohen Anforderungen an die Mensch-Technik-Interaktion ab.

Einige Kleinlastfahrzeuge und Serviceroboter sind bereits, zum Teil als modularisierte Systembaukästen, auf dem Markt verfügbar. Dennoch befinden sich die in einigen Krankenhäusern bereits eingesetzten Serviceroboter aufgrund der doch gravierenden Prozessänderungen und Akzeptanzvorbehalte meistens noch in der Entwicklungs- oder Pilotphase. Vor dem Hintergrund der relativ hohen Anfangsinvestitionen, der erforderlichen Prozessanpassungen sowie der häufig vorhandenen Technologievorbehalte ist daher eine fundierte Planung und Bewertung von Alternativen für den Erfolg und die Akzeptanz dieser Technologieeinsatzfälle von entscheidender Bedeutung.

Fazit

Technologische Innovationen und Entwicklungen eröffnen durch den Einsatz neuer Komponenten wie 5G und KI-Unterstützung die Möglichkeit, die Anwendungsbereiche von autonomen, fahrerlosen Transportsystemen für die unterschiedlichen Transport- und Prozessanforderungen deutlich zu erweitern. Sowohl in Neubauten, aber insbesondere auch in Bestandsgebäuden mit Um- und Anbauten lassen sich durch die Flexibilität und Modularität dieser Transportmittel effiziente, sichere und wirtschaftliche Prozesse realisieren. Ein wichtiger Treiber ist hier die Realisierung von vernetzten, prozessspezifischen Transportsystemen und die Erhöhung des Interaktionsgrades zwischen Menschen und Maschinen. 

Erschienen in Klinik Einkauf 03/21  Jetzt kaufen!

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