
Wie fragil die globalen Logistikketten sind, haben wir alle in jüngster Zeit zu spüren bekommen. Plötzlich mussten wir damit leben, dass immer etwas fehlt. Lieferengpässe und Inflation prägen unseren Alltag. Spätestens jetzt ist jedem klar: Ich brauche die richtigen Leute im Einkauf und in der Logistik, die Probleme zuverlässig lösen und den großen Herausforderungen gewachsen sind. In diesem Artikel – einem Auszug aus unserem Buch „Supply it“: Der Praxisleitfaden für Einkauf und Logistik – werfen wir einen Blick auf die Qualifikationen, die Einkäufer und Logistiker benötigen. Auch wenn Einkauf und Logistik in einem Atemzug genannt werden, handelt es sich doch um unterschiedliche Tätigkeitsfelder mit unterschiedlichen Qualifikationsanforderungen. Daher stellen wir die Kompetenzen in diesem Artikel auch getrennt dar. Beginnen wir mit dem Einkauf.
Buchausschnitt
Im Folgenden finden Sie einen Auszug aus dem Buch „Supply it“, den die Autoren für Klinik Einkauf aufbereitet haben. Das Buch wurde im Juni 2023 bei „Books on Demand“ veröffentlicht. Weitere Informationen dazu finden Sie auch in der vierten Ausgabe von Klinik Einkauf 2023.
Was muss ein Einkäufer können?
Ein guter Einkäufer ist ein Allrounder: Er liebt Daten, ist ein harter Verhandler, ein leidenschaftlicher Personalentwickler, ein exzellenter Projektmanager, und Gesetze sind seine Leidenschaft. Er verfügt über ausgeprägte analytische Fähigkeiten und ist gleichzeitig selbstbewusst und extrovertiert genug, um Verhandlungen zu führen und Arbeitsgruppen mit Fachexperten zu moderieren. So jemanden gibt es nicht? Eher selten! Aber: Man kann viel lernen. Eines ist sicher: Ein guter Einkäufer ist ein seltenes Phänomen auf dem Arbeitsmarkt.
Der Einkäufer muss unterscheiden können, ob das Produkt einen echten Mehrwert bietet oder ob es sich um eine Scheininnovation handelt.
Machen wir uns bewusst, in welchem Arbeitsumfeld ein strategischer Einkäufer agiert: Auf der einen Seite steht die Industrie: Der Einkäufer muss bestmögliche Konditionen durchsetzen und darf sich nicht von Marketing und Vertrieb blenden lassen. Auf der anderen Seite stehen die Bedarfsträger: hoch spezialisierte Experten aus Pflege, Medizin, Technik und IT. Wenn die richtigen Produkte nicht zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen, sind Menschenleben in Gefahr. Aber natürlich sind auch die Experten aus Marketing und Vertrieb betroffen. Wer im Einkauf tätig ist, hat das sicher schon einmal gehört: „Es muss jetzt unbedingt das Produkt von der letzten Messe sein, sonst stirbt der Patient!“
Keine leichte Aufgabe, die Spreu vom Weizen zu trennen, denn die Industrie leistet sich Experten für fast jedes Produkt im Sortiment und investiert viel Geld ins Marketing. Das Problem: Der Einkäufer muss unterscheiden können, ob das Produkt einen echten Mehrwert bietet oder ob es sich um eine Scheininnovation handelt. Er akzeptiert, dass er nichts weiß, und arbeitet eng mit den Fachexperten zusammen, um den tatsächlichen Bedarf von den Wünschen zu unterscheiden. Er weiß genau, warum eine Pflegekraft oder ein Arzt so großen Wert auf ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Produkteigenschaft legt, dazu erlebt er den Krankenhausalltag aktiv mit, ist vor Ort und beobachtet die Arbeitsabläufe.
Zahlen, Daten und Fakten
Der Einkäufer liebt es, wenn kein Tag wie der andere ist und er jeden Tag mit neuen Situationen und Anforderungen konfrontiert wird. Er ist neugierig und wissbegierig. Gleichzeitig ist er ein Datenanalytiker und kann Ärzte faktenbasiert und analytisch überzeugen. Dazu bereitet er Zahlen, Daten und Fakten überzeugend und verständlich auf.
Die Logistik agiert hinter den Kulissen und so wissen viele gar nicht, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Logistik wie fleißige Ameisen tagtäglich das Krankenhaus am Laufen halten.
Ein Einkäufer vermittelt seinen Mitarbeitern folgende Kompetenzen:
- Anwenderkenntnisse im Warenwirtschaftssystem (z. B. SAP) und den Office-Anwendungen
- Produkt-Know-how
- gute Kenntnisse des Vergaberechts und weiterer Gesetze
- sehr gute Kenntnisse im Projektmanagement
- Verhandlungskompetenz und Moderationsgeschick
Einkäufer sind gute Projektleiter. Ein Einkaufsprojekt umfasst viele Projektschritte (Verträge verhandeln, Produkte testen, Logistik sicherstellen, Schulungen organisieren, Altprodukte ausmustern/entsorgen, IT-Anbindung sicherstellen usw.). Meist sind Einkaufsprojekte Veränderungsprojekte und stoßen auf Widerstände. Ein Einkäufer bleibt mit freundlichen „Terrierqualitäten“ am Ball und vergisst nichts.
Er übersetzt Gesetze und Verträge in die Sprache der Bedarfsträger und sorgt so dafür, dass alle verstehen, worauf sie sich einlassen. Er schafft es, Gesetze so umzusetzen, dass die Anwender möglichst nichts davon merken.
Ein Einkäufer weiß, dass er wenig weiß, aber er ist hervorragend vernetzt und weiß, wo und wie er an Informationen kommt. Ein guter Einkäufer ist ein „Influencer“, der sich eine Fangemeinde aufbaut und Projekterfolge so kommuniziert, dass Ärzte und Pflegepersonal Lust bekommen, beim nächsten Standardisierungs- oder Einsparungsprojekt mitzumachen. Einkäufer sind Personalentwickler. Sie wissen, wie schwierig es ist, Menschen mit all diesen Kompetenzen und die die komplexe Welt des Gesundheitswesens verstehen, am Markt zu rekrutieren. Sie haben Spaß daran, ihr Wissen zu teilen, komplexe Sachverhalte einfach zu erklären und freuen sich über den Erfolg anderer (siehe Kasten).
Was muss ein guter Logistiker können?
Ein guter Logistiker ist ein Zauberer. Er steuert täglich unzählige Warenströme in einem Krankenhaus. Jeden Tag passiert etwas Unvorhergesehenes: Ein Lieferant kann ein wichtiges Produkt nicht liefern, die Nachfrage nach bestimmten Materialien (z. B. bei einem Großschadensereignis) steigt plötzlich an oder Ware geht verloren.
So könnte man den Alltag beschreiben: Geht nicht, gibt’s nicht! Ein Logistiker findet immer eine Lösung, egal was passiert – er stellt die optimale Versorgung der Patienten sicher. Dazu braucht es Kreativität und gute Netzwerke! Dabei schafft er es, dass niemand merkt, dass er da ist. Gute Logistik ist unsichtbar. Bei all ihren Fähigkeiten sind Logistiker bescheiden und nie böse, wenn sie nicht gesehen werden, wenn ihnen nicht gedankt wird.
Die Logistik agiert hinter den Kulissen und so wissen viele gar nicht, dass die Mitarbeiter der Logistik wie fleißige Ameisen tagtäglich das Krankenhaus am Laufen halten. In allen Logistikbereichen arbeiten trotz Automatisierung sehr viele Menschen, oft mit einfacher Qualifikation und teilweise schlechten Deutschkenntnissen. Krankheitsbedingte Ausfälle im Logistikbereich können zu Engpässen in der Versorgung führen. Egal was passiert – die Logistik muss funktionieren, denn sonst ist die Patientenversorgung gefährdet.
Sorgen Sie dafür, dass die Mitarbeiter Wertschätzung erfahren und vor allem die richtigen Qualifikationen erwerben können.
Welche Kompetenzen braucht ein idealer Logistiker?
Logistiker sind schnelle und analytische Denker, denn die Waren- und Personenströme sind komplex. Sie sind in der Lage, komplexe Daten und Informationen schnell zu analysieren und zu interpretieren, um effektive Entscheidungen zu treffen. Logistiker sind Organisationstalente. Sie agieren mit vielen verschiedenen Menschen und finden Lösungen für scheinbar ausweglose Situationen, z. B. wenn die Hälfte der Belegschaft wegen Corona in Quarantäne ist.

An einem Logistikprozess sind viele Menschen mit den unterschiedlichsten Qualifikationen beteiligt. Als Teamplayer ist der Logistiker vernetzt, versteht andere Kulturen und findet immer einen Weg, wenn Sprachbarrieren die Kommunikation erschweren. Der Logistiker handelt kundenorientiert. Das ist wohl die größte Herausforderung: Einerseits steht der Service für den Bedarfsträger im Vordergrund, andererseits kann in einem Krankenhaus nicht jede Spritze oder jedes Pflaster just in time geliefert werden. Der Logistiker entwickelt Konzepte, um wirtschaftlich und kundenorientiert zu handeln. Ein Logistiker ist technikaffin und versteht, wie IT das Leben erleichtert. Um neue Technologien einführen zu können, sind oft bauliche Maßnahmen notwendig, aber da Logistik meist unsichtbar funktioniert, werden diese Anforderungen bei Bauprozessen oft vergessen. Es fehlt dann an Stell- und Rangierflächen oder an Lagerräumen. Ein guter Logistiker ist ein akzeptierter und geschätzter Partner der Bauabteilung und bringt sich frühzeitig in die Bauplanung ein.
Ein Logistiker ist ein Personalmanager: Je nach Größe des Krankenhauses und den Bereichen, die vom Krankenhaus selbst übernommen werden, umfasst der Logistikbereich schnell 100 oder mehr Mitarbeiter. Einige Prozesse sind automatisiert, vielleicht gibt es ein automatisches Warentransportsystem (AWT) oder Reinigungsroboter. Viele Tätigkeiten müssen jedoch von Menschen ausgeführt werden. Beispiel: Eine automatische Warentransportanlage belädt und wartet sich nicht selbst. Die Mitarbeiter in der Logistik sind in der Regel gering qualifiziert und schlecht bezahlt, darunter leiden Motivation und Ehrgeiz.
Ein Manager in der Logistik kennt sich mit Personalentwicklung aus und er weiß aber auch, wie man schlechte Leistungen abmahnt und sich notfalls schnell von Mitarbeitern trennt, bevor sie Schaden anrichten, denn in den sensiblen Logistikprozessen ist kein Platz für Schlechtleister. Man stelle sich vor, eine Blutprobe geht unterwegs verloren, weil ein Mitarbeiter sie irgendwo vergessen hat. Oder der Versorgungsassistent achtet bei der Versorgung der Stationen nicht auf die Hygienevorschriften und verschleppt Keime. Tätigkeiten in der Logistik sind oft körperlich anstrengend, deshalb muss sich ein Logistikleiter auch mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement und den Maßnahmen zur Gesundheitsförderung auskennen.
Fazit
Einkauf und Logistik wurden und werden in vielen Krankenhäusern stiefmütterlich behandelt, weil sie im Idealfall unsichtbar sind. Sorgen Sie dafür, dass die Mitarbeiter Wertschätzung erfahren und vor allem die richtigen Qualifikationen erwerben können. Schaffen Sie akttraktive Arbeitsplätze in Einkauf und Logistik.
Erschienen in Klinik Einkauf 06/2023. Lesen Sie hier rein.



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