
Eine Warengruppenstrategie zu entwickeln ist keine leichte Aufgabe, denn ein Krankenhaus mit 1000 Betten hat allein im Bereich der Medizinprodukte rund 50 000 Artikel und bezieht diese von 800 bis 1000 Lieferanten. Klassischerweise macht der Einkauf eine ABC-Analyse und verhandelt mit den umsatzstärksten Lieferanten. Das führt dann dazu, dass kleinere Lieferanten und Warengruppen aus Zeitgründen unter den Tisch fallen.
Dann kommt ein Beratungsunternehmen und startet das Projekt „Nicht verhandelte Lieferanten“. Diese Projekte sind in der Regel nicht nachhaltig, weil die vielen gleichzeitigen Produktwechsel die Ärzte und das Pflegepersonal verunsichern und die Akzeptanz im Haus sinkt. Es hat sich bewährt in „Portfolios“ zu denken. Ihr fragt euch dafür: Was braucht der Mediziner, um zum Beispiel eine Dialyse durchzuführen? Dann fasst ihr entsprechend alle Medizinprodukte, Geräte und gegebenenfalls auch Medikamente in einem Portfolio zusammen.
Das hat den Vorteil, dass ihr aus medizinischer Sicht in die Verhandlung geht. Ihr konzentriert euch darauf, was die Pflege, die Medizin und der Patient brauchen. Dann könnt ihr die Produkte bei einem Lieferanten bündeln und versteht insgesamt und im Zusammenhang, worauf es bei den einzelnen Portfolios ankommt. Auf dieser Basis legt ihr oder eure Einkaufsgemeinschaft fest, wie oft und mit welchen Laufzeiten verhandelt wird. Ist ein Portfolio sehr innovativ, solltet ihr die Konditionen jährlich verhandeln, bei weniger innovativen Portfolios könnt ihr deutlich seltener verhandeln und eher langfristige Rahmenverträge abschließen (Soweit der aktuelle Markt das zulässt).
Unser Tipp
Schaut euch die Ergebnisse der BVMed-Herbstumfrage an. Dort schätzt die Industrie selbst ein, wie innovativ die Produkte unterschiedlicher medizinscher Fachbereiche sind. Natürlich muss diese Einschätzung nicht mit der Einschätzung eurer Mediziner übereinstimmen. Diskutiert offen mit Medizinern und Pflege, warum ihr wie vorgehen wollt. Nur wenn eure Entscheidungen nachvollziehbar sind, wird man euch vertrauen.
Die Grundidee
Im nächsten Schritt legt ihr fest, wer entscheiden darf, welches Produkt gekauft wird. Der Einkauf nach Qualität und Wirtschaftlichkeit ohne Tests oder die Ärztinnen und Ärzte, weil nur sie wissen, welches Produkt für die Patientinnen und Patienten geeignet ist? Im Praxisguide „Supply it“ haben wir die Produkte in einfache, spezialisierte und medizinisch notwendig unterteilt. Mit diesen Bezeichnungen sind wir noch nicht ganz zufrieden, denn jedes Produkt kann medizinisch entscheidend sein, vor allem, wenn es fehlt.
Die Grundidee: Produkte, die sich objektiv über Normen beschreiben lassen bzw. in gleicher Qualität vorliegen, werden als „einfach“ eingestuft und der Einkauf entscheidet, welches Produkt eingesetzt wird. Ein Beispiel wäre z.B. der Untersuchungshandschuh. Klingt einfach, ist es aber nicht, denn es funktioniert nur, wenn ein nachhaltiges Vertrauensverhältnis zwischen Einkauf, Medizin und Pflege besteht. Dieses muss man sich erarbeiten, indem ihr zeigt, dass ihr in der Lage seid, qualitativ hochwertige Produkte zu beschaffen und dass Produktumstellungen nur mit Augenmaß und guter Kommunikation erfolgen.
Fazit
Denkt daran: Fast jedes neue Produkt bringt neue Unsicherheiten und damit Unruhe, wenn ihr etwas umstellt, dann muss es sich auch wirklich lohnen. Euer Ziel sollte sein, dass ihr genug Zeit habt, euch auf die wirklich medizinisch entscheidenden Produkte wie Defis, Herzschrittmacher, Implantate oder das Thema Labor zu konzentrieren. Unsere wichtigste Empfehlung: Nie mit der Brechstange vorgehen, also nach dem Motto: Das muss jetzt sein, das ist das billigste Produkt auf dem Markt. Sondern Szenarien entwickeln:
o Was bringt eine Bündelung bei einem Anbieter?
o Was bringt ein Produktwechsel?
o Benchmarks von anderen Kliniken
…und immer das Mandat der Geschäftsführung einholen, damit allen klar ist: Der Einkauf darf sich mit sensiblen Themen beschäftigen und es ist gewünscht, dass alle gemeinsam nach der besten wirtschaftlichen und medizinischen Alternative suchen. Denkt dran: Vertrauen muss man sich verdienen und wenn man es dann hat ist es ein zartes Pflänzchen, das sorgfältig gehegt und gepflegt werden muss.




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