ProzessoptimierungProcurement Outsourcing als Brücke im Engpass

Fachkräftemangel, steigende Anforderungen und digitale Defizite setzen den Einkauf in Kliniken zunehmend unter Druck. Doch gerade jetzt zeigt sich: Der Einkauf ist systemrelevant – und braucht klare Strukturen, strategische Ausrichtung und operative Schlagkraft.

Ärzte mit Maske
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Symbolfoto

Auch der Krankenhauseinkauf bleibt vom zunehmenden Fachkräftemangel nicht verschont – ein Bereich, der essenziell für die Versorgung ist, aber oft im Schatten der primären Versorgungsbereiche steht. Offene Stellen sind schwer zu besetzen, da tarifliche Bindungen, begrenzte Vergütung und Fachkräftemangel die Suche erschweren. Häufig bleiben Ausschreibungen ohne Rückmeldung – sowohl bei Festanstellungen als auch bei Ausbildungsplätzen.

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit bleiben Stellen im administrativen Krankenhausbereich überdurchschnittlich lange vakant – mit weiterhin steigender Tendenz. In wirtschaftlich angeschlagenen oder insolventen Krankenhäusern verschärft sich der Fachkräftemangel zusätzlich. Die Arbeitsbelastung für das verbleibende Personal steigt – oft bleibt nur noch Zeit für „Firefighting“. Digitale Halblösungen und fehlende Richtlinien verstärken diesen Druck zusätzlich.

Digitalisierung braucht mehr als Software

Der digitale Reifegrad des Einkaufs ist in vielen Kliniken weiterhin unzureichend. Bestellungen per Fax oder Telefon gehören noch immer zum Alltag. Wo digitale Systeme vorhanden sind, fehlen oft durchgängige Schnittstellen – etwa zwischen ERP-Systemen, Beschaffungsplattformen und klinischen Anwendungen. Medienbrüche und fehlende Systemtransparenz erschweren die tägliche Arbeit: Bestände sind nicht einsehbar, der Bestellstatus bleibt unklar, Doppelbestellungen sind häufig. Die Digitalisierung bleibt so vielerorts eine Dauerbaustelle – mit spürbaren Folgen für Effizienz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit.

Besonders in kleineren Häusern wird die strategische Bedeutung eines zentral gesteuerten Einkaufs oft unterschätzt.

Neben personellen und digitalen Defiziten zeigen sich in vielen Kliniken auch strukturelle Schwächen. Besonders in kleineren Häusern wird die strategische Bedeutung eines zentral gesteuerten Einkaufs oft unterschätzt. Bestellungen erfolgen häufig dezentral, meist ohne klare Richtlinien oder abgestimmte Bedarfsermittlung.

Auch zentral organisierte Einkaufsbereiche haben oft Probleme. Sind Strukturen und Prozesse unklar oder werden nicht konsequent umgesetzt, bleibt Potenzial ungenutzt. Unklare Zuständigkeiten und begrenzte Entscheidungsbefugnisse erschweren die Steuerung. Lieferzeiten werden übersehen, Versorgungsengpässe nehmen zu – besonders vor dem Hintergrund wachsender Lieferschwierigkeiten und längerer Beschaffungsfristen.

Zwischen Entlastung und Prozessentwicklung

Zur Überbrückung personeller Engpässe setzen einige Kliniken auf Procurement Outsourcing. Wie die folgenden Beispiele zeigen, können Beratungsunternehmen sowohl durch die interimistische Übernahme der Einkaufsleitung als auch durch Mitarbeit im operativen Tagesgeschäft unterstützen. Unter anderem konnte mithilfe einer zwischenzeitlichen operativen Unterstützung am Rotkreuzklinikum in München ein Personalengpass abgefedert werden. Es wurden operative Aufgaben, wie Stammdatenpflege, Bestellauslösungen, Auftragsbestätigungen und Rechnungskorrekturen bearbeitet. So konnten wieder Kapazitäten für den Anstoß verschiedener Optimierungsmaßnahmen geschaffen werden.

„Die externe Unterstützung hat uns nicht nur operativ entlastet, sondern auch Kapazitäten geschaffen, um dringend notwendige Prozessoptimierungen anzugehen. Gleichzeitig konnten wir über das erweiterte Netzwerk auf fundiertes Fachwissen zugreifen und dieses gezielt in unsere Weiterentwicklung einfließen lassen“, so Franziska Prinz, Einkaufsleitung des Rotkreuzklinikums München.

Auch der Alltag wird entlastet

Für den Zentral-OP des Krankenhauses wurden beispielsweise die Bestellwege vereinfacht und gebündelt. Eine zeitaufwendige Maßnahme, welche nicht zuletzt auch den Zentral-OP deutlich entlastete. Solche Projekte zeigen: Auch kurzfristige Unterstützung kann nicht nur im Alltag entlasten, sondern gleichzeitig helfen, Prozesse langfristig besser aufzustellen. Weit häufiger findet sich in der Praxis die interimistische Besetzung der strategischen Einkaufsleitung.

Im St. Vincenz-Krankenhaus Paderborn war die dezentrale Beschaffung über Jahre gelebte Praxis. Im Zuge der Insolvenz war es notwendig, eine zentrale Einkaufsabteilung neu aufzubauen. Die Interimslösung ersetzte eine de facto nicht vorhandene Stelle und schuf eine neue Instanz mit klaren Verantwortlichkeiten. Einkaufsspezifische Themen innerhalb der Insolvenz, insbesondere die stabile Interaktion mit Lieferanten zur Sicherung der Lieferketten, waren zentrale Herausforderungen.

Zudem galt es, standardisierte Prozesse und ein einheitliches Kostenbewusstsein im Haus einzuführen. Im Rahmen der Interimsleitung wurden die Zuständigkeiten zwischen Fachabteilungen und Einkauf neu geregelt: Während die Technik die Produktspezifikationen definiert, übernimmt der Einkauf die Auswahl des Beschaffungskanals und steuert den gesamten Prozess.

Gerade in der sensiblen Phase der Insolvenz war die Interimseinkaufsleitung ein stabilisierender Faktor.

Die Projektarbeit umfasste darüber hinaus die Einführung neuer Dienstleister sowie die Umsetzung entsprechender Implementierungspläne. Ein weiterer Schwerpunkt war die konzeptionelle und inhaltliche Begleitung der Gründung einer Servicegesellschaft. Markus Funk, Geschäftsführer des St. Vincenz-Krankenhauses in Paderborn, erlebte diesen Interimseinsatz als kurzfristige Unterstützung: „Gerade in der sensiblen Phase der Insolvenz war die Interimseinkaufsleitung ein stabilisierender Faktor – intern wie extern. Sie ermöglichte verlässliche Kommunikation mit Lieferanten, sicherte die Versorgung und war gleichzeitig Initiatorin eines neuen Kostenbewusstseins im Haus.“

Erste wirtschaftliche Effekte und mehr Transparenz wurden bereits erreicht. Die vollständige Etablierung solcher Strukturen ist jedoch ein langfristiger Prozess, der Zeit erfordert – der Grundstein dafür konnte so bereits gelegt werden. Nicht zuletzt stellt die Zusammenarbeit mit Einkaufsgemeinschaften eine weitere Möglichkeit für das Outsourcing anderweitig nicht abzubildender Leistungen dar. Neben dem Volumenvorteil durch Bündelung bieten diese Strukturen oftmals systemische Beratung, IT-Lösungen, Schulungen und Unterstützung bei der Pflege von Stammdaten.

Fazit: Operativ entlasten – strategisch stärken

Der Personalmangel im Einkauf wird sich kurzfristig kaum beheben lassen. Die wirtschaftlichen Entwicklungen und der Weg in die Digitalisierung erhöhen zeitgleich die Arbeitsbelastung. Umso wichtiger ist es, vorhandene Ressourcen gezielt und effizient einzusetzen. Einheitliche Einkaufsrichtlinien, klare Verantwortlichkeiten, digitale Prozesse und gepflegte Stammdaten bilden das Fundament für stabile Einkaufsprozesse. Krankenhäuser sollten verstärkt auf interne Qualifizierung, strukturierte Partnerschaften und gezielte Prozessoptimierung setzen.

Der Einkauf darf nicht länger nur als Kostenstelle gelten – er ist ein strategisches Schlüsselelement für Versorgungssicherheit und Zukunftsfähigkeit. Interimsleitungen sowie operative Interimslösungen bieten Chancen, nicht nur Engpässe zu überbrücken, sondern auch die Grundlage für langfristige Veränderungen zu schaffen.

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