
Auch Medikamente werden von Donald Trumps aggressiver Zollpolitik nicht verschont: Der US-Präsident hat Zölle von 100 Prozent auf Arzneimittelimporte in die Vereinigten Staaten ab 1. Oktober angekündigt. Ausnahmen solle es für Unternehmen geben, die eine Pharmaproduktionsstätte in den USA bauen. „Baut“ werde dabei definiert als „Baubeginn“ und/oder „im Bau befindlich“, ergänzte er. Nach dem Beginn von Bauarbeiten werde für diese Pharmazeutika kein Zoll mehr anfallen.
Für die deutsche Pharmaindustrie, die stark in die Vereinigten Staaten exportiert, wird damit ein Schreckensszenario Realität: Pharmazeutika waren in Trumps Anfang April verkündetem riesigen Zollpaket zunächst ausgenommen. Was bedeuten die Zölle nun für die Pharmabranche und Patienten? Und drohen noch mehr Arzneiengpässe?
Gemeinsame Erklärung von EU und USA
Die EU-Kommission ging Ende September davon aus, dass Pharmaexporte aus Deutschland und anderen EU-Staaten von den angekündigten Zöllen in Höhe von 100 Prozent ausgenommen werden. Zum 1. Oktober bestätigte sich diese Annahme. In der im August veröffentlichten gemeinsamen Erklärung der EU und der USA zu Handelsfragen sei klar festgehalten, dass auch für den Bereich der Pharmazeutika eine Zollobergrenze von 15 Prozent für EU-Exporte gelte, erklärte ein Sprecher in Brüssel. Diese stelle eine Absicherung dar, dass für europäische Wirtschaftsakteure keine höheren Zölle entstünden. Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie, sprach von einem „neuen Tiefpunkt“ für die Handelsbeziehungen mit den USA. „Wenn der 15-Prozent-Deal nicht auch für Pharmaprodukte gilt, ist er nichts wert. Die EU-Kommission muss jetzt mit breitem Kreuz darauf drängen, dass beide Seiten zu den getroffenen Vereinbarungen stehen. Sonst kann dieser Deal nur Geschichte sein.“
USA wichtigstes Exportland für Pharmabranche
Für die deutsche Pharmabranche mit ihren rund 130.000 Beschäftigten sind die USA das wichtigste Exportland. 2024 gingen dem Statistischen Bundesamt zufolge Waren im Wert von 27 Milliarden Euro und damit knapp ein Viertel der deutschen Pharmaexporte in die USA. Damit ist die deutsche Pharmabranche wesentlich stärker vom US-Markt abhängig als etwa der Maschinenbau und die Chemieindustrie. Besonders gefragt waren etwa Impfstoffe.
„US-Zölle gefährden deutsche Arzneimittelexporte auf ihrem wichtigsten Absatzmarkt außerhalb der EU und setzen den Pharmastandort Deutschland unter Druck“, erklärt Jasmina Kirchhoff, Projektleiterin der Forschungsstelle Pharmastandort Deutschland beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW).
Sorgen um Gesundheitsversorgung
US-Zölle auf Arzneien schüren Sorgen um die Gesundheitsversorgung hierzulande. Denn Deutschland hat 2024 Pharmazeutika im Wert von 12,1 Milliarden Euro aus den USA importiert, knapp 17 Prozent der Brancheneinfuhren, und zudem gut zwölf Prozent der Vorprodukte, darunter sterile Schläuche für die Arzneiproduktion.
Damit würde die Arzneiproduktion in Deutschland unter Druck geraten mit Folgen für die Medikamentenversorgung.
Bei einem Handelskrieg könnten sich Vorprodukte stark verteuern oder zeitweise ganz fehlen, warnte der Pharmaverband VFA bereits vor Monaten. „Damit würde die Arzneiproduktion in Deutschland unter Druck geraten mit Folgen für die Medikamentenversorgung und die Beschäftigten in der Pharmaproduktion“, sagte VFA-Chefvolkswirt Claus Michelsen. Der US-Pharmamarkt sei für Deutschland und die EU von zentraler Bedeutung, warnt der Verband.
Handelsmaßnahmen wie Zölle oder Importbeschränkungen könnten europäische Hersteller empfindlich treffen.
„Zugleich ist der Markt wichtig für Innovation, Investitionen und Zulassungen - die amerikanische Zulassungsbehörde FDA gilt als globaler Taktgeber. Handelsmaßnahmen wie Zölle oder Importbeschränkungen könnten europäische Hersteller empfindlich treffen und bestehende Lieferketten stören“, so Michelsen weiter.
Drohen mehr Engpässe bei Arzneien?
Die Apothekervereinigung ABDA fürchtet, dass sich US-Zölle negativ auf die Arzneiversorgung in Deutschland auswirken könnten. Wenn der wichtige Pharmamarkt USA durch Zölle behindert werde, „kann das dazu führen, dass die Produktion in Deutschland durch mangelnde Wirtschaftlichkeit eingeschränkt wird“, sagt Thomas Preis, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Die Lieferketten seien schon seit Jahren instabil.
In den vergangenen Jahren waren immer wieder Medikamente wie Blutdrucksenker, Fiebersäfte für Kinder, Magensäureblocker und Schmerzmittel vorübergehend nicht verfügbar. Viele Patienten in Deutschland mussten auf Ersatzprodukte ausweichen.
Lukrativer US-Markt
Die USA sind auch deshalb so wichtig für die deutsche Pharmabranche, weil Amerika ein sehr lukrativer Absatzmarkt ist: Dort gibt es keine so strenge Preisbindung für Medikamente wie in Deutschland, wo der Gesetzgeber in den Markt für verschreibungspflichtige Medikamente eingreift. In den USA sind die Arzneipreise in der Regel deutlich höher als in anderen Industrieländern. US-Präsident Donald Trump hatte angekündigt, dagegen vorzugehen.
Deutsche Pharmaunternehmen sind nicht umsonst stark in den USA engagiert. Der Merck-Konzern etwa beschäftigt dort über 14.000 Menschen an über 70 Standorten - mehr als am Hauptsitz in Darmstadt mit gut 12.000 Mitarbeitern. Und Bayer-Chef Bill Anderson warnte im Gespräch mit dem Handelsblatt, dauerhaft hohe Aufschläge würden die Branche und deren Forschungskraft bedrohen.
Andere Unternehmen haben wegen Trumps Zollpolitik schon Konsequenzen gezogen. So hat der Schweizer Pharmariese Roche angekündigt, binnen fünf Jahren 50 Milliarden Dollar in den USA zu investieren. Und Konkurrent Novartis will 23 Milliarden Dollar in den Ausbau seiner US-Anlagen stecken.




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