DeutschlandDas neue Postgesetz – was der Einkauf wissen muss

Seit Mitte 2024 gilt in Deutschland ein neues Postgesetz, das den Brief- und Paketmarkt grundlegend verändert. Ziele sind eine flächendeckende und erschwingliche Versorgung, fairer Wettbewerb, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Nachhaltigkeit. Welche Anforderungen jetzt auf Einkäufer zukommen.

Briefe
Frank / stock.adobe.com – Edited by Thieme
Ab 1. Januar 2025 ändern sich die Brieflaufzeitquoten im Post-Universaldienst.

Deutschland hat seit dem 19. Juli 2024 ein neues Postgesetz. Die Ziele sind unter anderem flächendeckende und erschwingliche Versorgung mit Briefen und Paketen, fairer Wettbewerb, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Nachhaltigkeit. Der Briefmarkt ist nun auch wegen dieser Rechtsänderungen im Umbruch. Auf einem solchen „Markt in Bewegung“ kann wirtschaftlich und (vergabe-)rechtskonform nur einkaufen, wer die jüngsten Entwicklungen kennt und sich auf weitere Veränderungen vorbereitet. 

Anbieterverzeichnis statt Lizenz

Postdienstleistungen dürfen nur von Anbietern erbracht werden, die in das Anbieterverzeichnis der Bundesnetzagentur eingetragen sind. Nicht eingetragen wird, wem es an Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit oder Fachkunde fehlt. Die bisherige Lizenzpflicht für die Briefbeförderung entfällt. Vergabestellen müssen also daran angepasste Eignungsanforderungen aufstellen. Übrigens: Im September 2024 sind im Anbieterverzeichnis mehr als 1 000 Dienstleister eingetragen. Künftig wird die Bundesnetzagentur zudem einen digitalen Atlas zur Postversorgung führen, der bei der Strukturierung des Einkaufs helfen könnte.

Wichtige Änderung im Post-Universaldienst

Ab dem 1. Januar 2025 müssen Universaldienstanbieter von den an einem Werktag eingelieferten inländischen Briefsendungen im Jahresdurchschnitt jeweils mindestens 95 Prozent an dem dritten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag (E+3) und 99 Prozent an dem vierten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag zustellen (E+4). Die Zustellung hat werktäglich zu erfolgen.

Soweit Vorschriften bisher eine Zustellfiktion am dritten Tag vorsahen, werden diese Fiktionen im Bundesrecht auf den vierten Tag abgeändert, zum Beispiel im Verwaltungsverfahrensgesetz. Die Post-Universaldienstleistungsverordnung und die Postdienstleistungsverordnung treten außer Kraft. Anbieter ändern derzeit unter anderem einige Modalitäten der bisher bekannten Vorausverfügungen. In Ausschreibungen sollte daher die Leistungsbeschreibung je nach den Erfordernissen des Absenders an die verfügbaren Angebote angepasst werden.

Regulierung des Marktbeherrschers

Die Entscheidungen der Bundesnetzagentur zur Marktmacht der Deutsche Post AG im Briefbereich gelten bis auf weiteres fort. Die Deutsche Post AG muss Entgelte für Brief-Universaldienstleistungen, für förmliche Postzustellungsaufträge und für Zugangsleistungen zu Teilen ihrer Beförderungskette vorab genehmigen lassen, außer bei Zugangsleistungen zu individuell vereinbarten Bedingungen oder für Werbesendungen.

Für nicht genehmigungspflichtige Entgelte besteht die Möglichkeit der nachträglichen Entgeltkontrolle durch die Bundesnetzagentur. Die Bundesnetzagentur kann im Einzelfall auch Verträge für unwirksam erklären, wenn dies zum Schutz des Wettbewerbs erforderlich ist. Neu ist zudem, dass andere Anbieter die Überprüfung beantragen können.

Voraussichtlich im Herbst 2024 wird die Bundesnetzagentur den künftigen Preissetzungsspielraum der Deutsche Post AG für die ab 2025 gültigen Briefpreise vorgeben. Die resultierenden Entgeltmaßnahmen werden erst im Anschluss bekannt. Bei der Vertragsgestaltung sollten der jeweilige aktuelle Stand und die nicht vom Markt beeinflussbaren Entwicklungen berücksichtigt werden.

Förmliche Postzustellungsaufträge

Beim Einkauf der förmlichen Postzustellung mit einer Postzustellungsurkunde ist auf die Eignung und auf Anforderungen an die Entgelte zu achten. Drei Gruppen von Anbietern verfügen über die erforderlichen Hoheitsbefugnisse für die förmliche Zustellung nach den Prozessordnungen und nach den Gesetzen zur Verwaltungszustellung: Solche Anbieter, die auf einem Markt für Briefdienstleistungen marktbeherrschend sind; Anbieter, die zur förmlichen Zustellung als Universaldienstleistung verpflichtet sind; sowie Unternehmen, die als Anbieter von förmlichen Zustellungen von der Bundesnetzagentur anerkannt sind. Das PZA-Entgelt (PZA: Postzustellungsauftrag) bedarf der Genehmigung durch die Bundesnetzagentur, falls der Anbieter marktbeherrschend ist.

Umsatzsteuer

Die Umsatzsteuer auf Briefdienstleistungen ist derzeit Gegenstand von Diskussionen. Die Ursachen sind mehrschichtig: Mehrere Klagen zur Umsatzsteuerpflicht sind vor dem Bundesfinanzhof anhängig; das neue Postgesetz führt die Zugangsleistungen als Teil des Universaldienstes auf; das Bundeszentralamt für Steuern ändert offenbar seine Auffassung zu Bescheinigungen nach Paragraf 4 Nr. 11b. Satz 2 Umsatzsteuergesetz (UstG).

Zudem ist die Auslegung der Rückausnahmen (Paragraf 4 Nr. 11b. Satz 3 UStG) nicht abschließend geklärt. Änderungen am Umsatzsteuer-Anwendungserlass dazu lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Diese Entwicklungen führen dazu, dass bei einem Wunsch nach umsatzsteuerfreiem Einkauf eine präzise Prüfung der Markt- und Rechtslage vor Beginn des Vergabeverfahrens empfehlenswert ist.

Für nicht genehmigungspflichtige Entgelte besteht die Möglichkeit der nachträglichen Entgeltkontrolle durch die Bundesnetzagentur. Abgeschlossene Verträge werden durch die Postreform grundsätzlich rechtlich nicht angetastet.

Auswirkungen auf bestehende Verträge

Abgeschlossene Verträge werden durch die Postreform grundsätzlich rechtlich nicht angetastet. Vereinbarte Entgelte jedoch, die bisher postrechtskonform waren und nun im Widerspruch zu neuerdings genehmigungspflichtigen Entgelten treten, gelten längstens noch bis zum 19. Juli 2026.

Zudem kann es faktisch dazu kommen, dass die Inanspruchnahme der Deutsche Post AG durch die Klinik oder durch ihren Briefdienstleister künftig zu verlängerten Brieflaufzeiten oder anderen Änderungen an einzelnen Servicemerkmalen führt. Die Folgen beantworten sich nach dem jeweiligen Vertrag.

Ob eine Fortsetzung des Vertrags mit einvernehmlich geänderten Servicemerkmalen ohne Neuausschreibung möglich ist, richtet sich nach Paragraf 132 GWB (GWB: Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen). Demnach kann die Fortführung z. B. zulässig sein, wenn der öffentliche Auftraggeber die Änderung nicht vorhersehen konnte und sich der Gesamtcharakter des Auftrags nicht verändert. Auch Änderungen, die wertmäßig nicht die in Paragraf 132 Absatz 3 GWB genannten Schwellen überschreiten, erfordern keine Neuausschreibung.

Vergaberechtliche Eckpunkte

Die Postrechtsmodernisierung lässt die vergaberechtlichen Vorschriften unverändert. Weiterhin ist also ab Überschreiten der EU-Schwellenwerte ein EU-weite Ausschreibung geboten. Dabei ist in der Regel der ordnungsgemäß geschätzte Auftragswert über einen Zeitraum von vier Jahren zugrunde zu legen. Im Licht der ergangenen Rechtsprechung dürfte es sich empfehlen, bei Briefdienstleistungen im Zweifel vom üblichen EU-Schwellenwert auszugehen (für die meisten Kliniken aktuell 221 000 Euro ohne Umsatzsteuer) und nicht etwa vom erhöhten Schwellenwert für sogenannte „soziale und andere besondere Dienstleistungen“.

Unterhalb der EU-Schwellenwerte sind Vergabeverfahren nach den nationalen Vorschriften durchzuführen, bei Kliniken in kommunaler Trägerschaft in der Regel auf Basis des jeweiligen Landesrechts. Auch unter dem neuen Postrecht wird die Umsetzung der rechtlichen Gebote zur Aufteilung und Fach- und Teillose einen wichtigen Baustein für den Wettbewerb bilden.

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