
Im April-Heft der Klinik-Einkauf wurden bereits „Stellschrauben“ vorgestellt, mit denen sich Nachhaltigkeitsziele allgemein in vergaberechtlichen Einkaufsverfahren verfolgen lassen. Daran anknüpfend geht dieser Beitrag speziell den Möglichkeiten nach, die Einkäufern im Vergaberecht zur Verfügung stehen, wenn sie Wert auf einen möglichst geringen Ausstoß an Emissionen im Zusammenhang mit der zu beschaffenden Leistung legen.
Welche Emissionen sind berücksichtigungsfähig?
Grundsätzlich können öffentliche Auftraggeber Emissionen in Vergabeverfahren an verschiedener Stelle berücksichtigen, soweit sie mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. In erster Linie zielen klimaschützende Maßnahmen darauf ab, den Ausstoß der sogenannten Treibhausgase möglichst gering zu halten. Dazu zählen laut Bundes-Klimaschutzgesetz Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O, auch bekannt als „Lachgas“), Schwefelhexafluorid (SF6), Stickstofftrifluorid (NF3) sowie teilfluorierte Kohlenwasserstoffe (HFKW) und perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFKW). Methan ist laut Umweltbundesamt 25-fach, Lachgas rund 300-fach klimaschädlicher als Kohlendioxid.
Der Studie „Health Care‘s Climate Footprint“ zufolge ist der Gesundheitssektor global für 4,4 Prozent der globalen Nettoemissionen (2 Gigatonnen CO2-Äquivalent / Jahr) verantwortlich. Nach Berechnungen der Bundesärztekammer tragen direkte Emissionen aus Gesundheitseinrichtungen etwa 17 Prozent dieser Emissionen bei; indirekte Emissionen, etwa aus Strom, Wärme oder Kühlung, summieren sich auf rund 12 Prozent davon.
Vergabeunterlagen dürfen Maximalwerte für die Emissionen festlegen, die mit der zu beschaffenden Leistung in Zusammenhang stehen.
Für Einrichtungen, die der Aufsicht des Bundes unterstehen, bestehen spezielle gesetzliche Vorgaben (Paragraf 13 Absatz 2 Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG); Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung klimafreundlicher Leistungen – AVV Klima). Auch in manchen Bundesländern sind insofern konkrete Vorgaben zu beachten, wie zum Beispiel gemäß der Berliner Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt (VwVBU), oder nach Maßgabe des Umweltleitfadens der Stadt Hamburg. Für Vergabestellen, die an diese Regelungen nicht gebunden sind, besteht die Möglichkeit, daraus Anregungen für die eigenen Beschaffungsprojekte zu entnehmen. Wenn eine Klinik energieverbrauchsrelevante Liefer- oder Dienstleistungen, Fahrzeuge oder Verkehrsdienste beschaffen möchte, können gesonderte Vorschriften zu beachten sein (dazu unten noch näher).
Festlegung der Beschaffungsziele
Oft wird im Hinblick auf die nachhaltige Ausgestaltung eines Beschaffungsvorhabens der wichtigste Schritt sein, die Ziele, Varianten und Alternativen des Beschaffungsprojektes zu erfassen und zu bewerten. Anstelle des Neukaufs kann womöglich die Reparatur, der Kauf eines gebrauchten Produkts, ein Miet- oder ein Leasingvertrag ein klima- und umweltfreundlicheres und womöglich ausreichendes Mittel der Beschaffung darstellen (vergleiche Paragraf 2 Abs. 1 Satz 4 AVV Klima).
Wichtig wäre es, bei der Beurteilung der Emissionen nicht nur eine kurzfristige Betrachtung anzustellen, sondern den gesamten Lebenszyklus der Leistung in den Blick zu nehmen. Dazu sollten neben dem Anschaffungspreis also nicht nur die Anschaffungskosten berücksichtigt werden, sondern laut AVV Klima auch die über den sogenannten CO2-Schattenpreis monetarisierbaren Kosten des Treibhausgasausstoßes über den gesamten Lebenszyklus der Leistung hinweg.
Entsprechend weisen die Erläuterungen zur AVV Klima darauf hin, dass etwa die Restauration von bereits vorhandenen Einbauten einer Neuanschaffung trotz eines höheren Angebotspreises vorzuziehen sein kann, wenn mit der Neuanschaffung ein ungleich höherer Treibhausgasausstoß verbunden ist. Bei Unsicherheit über die Auswirkungen bestimmter Einkäufe kann ein Blick in die Negativlisten des Bundes (z. B. Anlage 1 AVV Klima) bzw. der Länder helfen, selbst wenn im konkreten Fall keine Bindung an diese besteht. Auch das Umweltbundesamt stellt auf seinen Webseiten umfangreiches Informationsmaterial zur Verfügung.
Maximalwerte in der Leistungsbeschreibung
Vergabeunterlagen dürfen Maximalwerte für die Emissionen festlegen, die mit der zu beschaffenden Leistung in Zusammenhang stehen. Dies ist in der Rechtsprechung teils für Fahrzeuge anerkannt und gilt grundsätzlich auch für andere Beschaffungsgegenstände. Im Rahmen seines Leistungsbestimmungsrechts hat ein öffentlicher Auftraggeber nämlich das Recht, seine Einkaufspolitik allgemein oder in Einzelfällen so zu gestalten, dass sein Emissionsbeitrag möglichst sinkt. Führt diese Entscheidung dazu, dass in einem Vergabeverfahren nicht mehr alle Produkte oder Dienstleistungen angeboten werden können, ist das grundsätzlich unproblematisch.
Die Grenze ist dort zu ziehen, wo eine offene oder verdeckte Diskriminierung eintritt. Dabei ist eine Diskriminierung nicht schon mit jeder Ungleichbehandlung anzunehmen, denn das Ziel umweltfreundlicher Beschaffung kann ein Rechtfertigungsgrund sein. Für die Beschreibung der Maximalwerte gelten die allgemeinen Regeln. Insbesondere ist auch ihre Erfassung eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben, sodass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können (Paragraf 121 Absatz 1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen [GWB]).
Nebenangebote
Indem ein öffentlicher Auftraggeber auch solche Angebotsvarianten zulässt, die sich zwar an festgelegte Mindestanforderungen halten, ansonsten aber von der Leistungsbeschreibung abweichen dürfen, erweitert er den Wettbewerb auch um potenziell klimafreundlichere Lösungen. Die Zuschlagskriterien sind dann so festzulegen, dass sie sowohl auf Hauptangebote als auch auf Nebenangebote anwendbar sind. Auch deshalb sollte eine Vergabestelle die erheblichen Chancen, welche Nebenangebote bieten können, sowie auch die Auswirkungen auf den Beschaffungsprozess und auf die spätere Nutzung vorab analysieren.
Eignungskriterien
Die Eignungsmerkmale, die ein öffentlicher Auftraggeber für seinen jeweiligen Auftrag festlegt, müssen stets mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen und angemessen sein. Anforderungen, die sich eher an die Unternehmenspolitik richten, sind daher grundsätzlich unzulässig. Wenn allerdings die Vermeidung, Einsparung oder Kompensation von Emissionen zu den konkreten Beschaffungszielen in einem Vergabeverfahren gehören, dann sind auch darauf bezogene Eignungsanforderungen zulässig. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Ausschreibung von umweltrelevanten Tätigkeiten berechtigt ist, die Einhaltung bestimmter umweltschützender Qualitätsstandards für diese Tätigkeiten zu fordern.
Daher dürfen auch klimaschonende Aspekte in Angeboten mit Pluspunkten bewertet werden, oder auch klimaschädliche Aspekte abgewertet werden.
So könnten beispielsweise vergleichbar umweltschonend umgesetzte Projekte als Referenzen gefordert werden oder auch für derartige Aufträge besonders ausgebildetes Personal, besondere Ausrüstung oder die Angabe von Umweltmanagementmaßnahmen (vergleiche Paragraf 46 Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge [VgV]). Bei der Formulierung ist darauf zu achten, dass die Bedeutung für den konkreten Auftrag auch tatsächlich besteht und zum Ausdruck kommt.
Zuschlagskriterien
Umweltbezogene Eigenschaften sind qualitätsbildend. Daher dürfen auch klimaschonende Aspekte in Angeboten mit Pluspunkten bewertet werden, oder auch klimaschädliche Aspekte abgewertet werden (siehe Paragrafen 58 Abs. 2 VgV, 43 Abs. 2 Unterschwellenvergabeordnung [UVgO]). Maßnahmen zur originären Verringerung oder Vermeidung von Emissionen können mit einem entsprechenden Vorteil bei der Preisgestaltung belohnt werden, sowie – zusätzlich oder auch – die Kompensation. Kriterien wie Schadstoffemissionen, Energieverbrauch sowie teils auch die Transportentfernung sind in der Rechtsprechung bereits anerkannt worden.

Bei der Formulierung solcher Kriterien ist darauf zu achten, dass die Bestimmtheit, Vergleichbarkeit und Überprüfbarkeit der angebotenen Merkmale sichergestellt sind. Bei der Kompensation beispielsweise müssen daher die Vergabeunterlagen gewährleisten, dass die auftragsbezogen auftretenden Emissionen auf vergleichbare Weise ermittelt und kompensiert werden, wobei anerkannte Kompensationsstandards helfen können.
Emissionen lassen sich beispielsweise auch einsparen, wenn die zu überbrückenden Strecken möglichst kurz sind. Das darf allerdings nicht zu dem Fehler führen, allgemeine Kriterien der Ortsnähe einzuführen, da solche ohne Not wettbewerbsbeschränkend wirken. Jedoch steht die möglichst ortsnahe Verfügbarkeit den wettbewerblichen Idealen dort nicht entgegen, wo sie dem Auftraggeber leistungsbezogene Vorteile bietet. Solche Vorteile dürfte eine Vergabestelle daher gegen den Preis gewichten. Zulässig kann es daher sein, vom Angebot umfasste Transportstrecken unter Emissionsgesichtspunkten zu werten, sei es zum Beispiel durch Bewertung von Distanzen oder in Form zugesicherter Gesamttreibstoffmengen.
Beschaffung energieverbrauchsrelevanter Liefer- und Dienstleistungen
Auch die Einsparung von Energie trägt derzeit grundsätzlich dazu bei, Emissionen zu vermeiden. Bei Beschaffungen von energieverbrauchsrelevanten Waren, technischen Geräten und von Dienstleistungen, für die solche Ausstattungen benötigt werden, sind im Bereich oberhalb der EU-Schwellenwerte die Anforderungen aus Paragraf 67 VgV einzuhalten. Danach sollen in der Leistungsbeschreibung im Hinblick auf die Energieeffizienz insbesondere das höchste Leistungsniveau an Energieeffizienz gefordert werden, und – sofern vorhanden – die höchste Energieeffizienzklasse im Sinne der Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung.
Die Bieter sollen grundsätzlich konkrete Angaben zum Energieverbrauch machen und in geeigneten Fällen eine Analyse minimierter Lebenszykluskosten (oder eine vergleichbare Methode) beifügen. Die Energieeffizienz muss als Zuschlagskriterium angemessen berücksichtigt werden. Hieraus folgt jedenfalls die Pflicht der Vergabestelle, hinsichtlich des „Ob und Wie“ der Einbindung von Energieeffizienz-Kriterien ihren Beurteilungsspielraum ordnungsgemäß auszuüben und zu dokumentieren.
Im Unterschwellenbereich ist die freiwillige Umsetzung dieser Inhalte zulässig. Die UVgO nennt umweltbezogene Aspekte ausdrücklich als statthafte Gestaltungsmerkmale, unter anderem für die Leistungsbeschreibung und für die Zuschlagskriterien (siehe Paragrafen 2 Absatz 3, 23 Absatz 2, 43 Absatz 2, 45 Abs. 2 UVgO).
Gesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge
Verbindliche Vorschriften gelten im Oberschwellenbereich für die Beschaffung von bestimmten Fahrzeugtypen und von mit diesen erbrachten Verkehrsdienstleistungen. Das Gesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge (SaubFahrzeugBeschG) setzt die Clean Vehicles Directive um (EU-Richtlinie (EU) 2019/1161). Behörden des Bundes und gleichgestellte Stellen müssen das Gesetz in weiten Teilen auch bei Unterschreitung der Schwellenwerte beachten. Das Gesetz gibt öffentlichen Auftraggebern Mindestziele bei Kauf, Leasing oder Anmietung bestimmter Straßenfahrzeuge vor sowie auch bei der Beschaffung von Verkehrsdienstleistungen, für die diese Straßenfahrzeuge eingesetzt werden. Ein wichtiger Anwendungsfall ist die Beschaffung von Nutzfahrzeugen von Kliniken in kommunaler Trägerschaft oder auch ambulanten Pflegediensten.
Die Bieter sollen grundsätzlich konkrete Angaben zum Energieverbrauch machen und in geeigneten Fällen eine Analyse minimierter Lebenszykluskosten beifügen.
Das Gesetz legt genau fest, welche Fahrzeuge in seinem Anwendungsbereich zu den „sauberen“ bzw. „emissionsfreien“ Fahrzeugen gehören. Zudem gibt es den Anteil vor, den solche Fahrzeuge an der Zahl aller im Rahmen europaweiter Ausschreibungen während eines Referenzzeitraums beschafften Fahrzeuge erreichen müssen (Mindestziele). Für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge liegt das Mindestziel bei 38,5 Prozent, für Lkw der Fahrzeugklassen N2 und N3 zunächst bei 10 Prozent, im Zeitraum 2026 bis 2030 dann bei 15 Prozent. Es gibt aufgrund der Einsatzanforderungen oder begrenzter Marktverfügbarkeit zahlreiche Ausnahmen (siehe Kasten). Jedoch könnte eine Klinik künftig freiwillig solche Fahrzeuge in „sauberer“ Form ausschließlich oder quotal ausschreiben.
Wertung von Nachhaltigkeitslösungen erfordert Zuschlagskriterien
Teils wird vertreten, dass die Nennung von CPV-Codes (CPV: Common Procurement Vocabulary) aus dem Bereich der Post- und Paketbeförderung auf der Straße, sowie der Post- und Paketzustellung in Anlage 2 des Gesetzes dazu führt, dass die typischen Verträge über Ende-zu-Ende-Postdienstleistungen dem SaubFahrzeugBeschG unterfallen. Diese Auffassung unterliegt Zweifeln, denn sie ist schwerlich mit der EU-rechtlichen Systematik sowie mit Sinn und Zweck des SaubFahrzeugBeschG zu vereinbaren. Die Mitnahme von Briefen öffentlicher Auftraggeber in privaten Logistiknetzen führt nämlich nicht dazu, dass von einem hinreichenden Zusammenhang zwischen dem Auftragsgegenstand (also dem Versand einzelner Briefe) und der allgemein im Netz eingesetzten Flotte gesprochen werden kann.
Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung zur Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge in der Bundesverwaltung stellt zudem klar: Bei Dienstleistungen, die auch solchen CPV-Codes zugeordnet werden können, welche nicht im SaubFahrzeugBeschG stehen, gilt dieses Gesetz nur dann, wenn für die Leistungserbringung der Einsatz von Straßenfahrzeugen der Klassen M1, M2, M3, N1, N2 oder N3 gefordert ist und der Hauptgegenstand des Vertrags die im Gesetz genannten CPV-Codes sind. Die CPV-Codes für Post- und Kurierdienste, für Postdienste und Briefpostdienste stehen aber gerade nicht im SaubFahrzeugBeschG.
Zudem machen Post-Verträge üblicherweise zu Recht keine Vorgaben zum Fahrzeugeinsatz. Für die Zustellung mit herkömmlichen Fahrrädern, E-Bikes und E-Rollern ist das SaubFahrzeugBeschG ohnehin „blind“, ebenso wie für den emissionsträchtigen Transport per Flugzeug. Eine angemessene Wertung konkreter Nachhaltigkeitslösungen ließe sich mit auftragsbezogenen Zuschlagskriterien erreichen, zum Beispiel durch Bewertung dahin gehender Bieterkonzepte.




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