PraxistestWie gut können Drohnen die Kliniklogistik unterstützen?

Welches Potenzial Drohnentransporte in der Krankenhauslogistik haben, testete das Stadtspital Zürich 2022 in einem Pilotbetrieb mit dem Anbieter Matternet. Künftig sollen Drohnen zur CO2-Reduktion beitragen, sowie die Transportkosten verringern.

Praxistest für Drohneneinsätze
Stadtspital Zürich
Ganz unproblematisch verlief die Testphase aber nicht. Im Vorfeld bedurfte es vieler Abklärungen, bis die Drohne ihren Jungfernflug zwischen den beiden Spital-Standorten Waid und Triemli antreten durfte.

Zugegeben, Zürich ist nicht New York. Dennoch gehört Zürich mit seinen ca. 430 000 Bewohnern zu den wichtigsten Ballungs- und Wirtschaftszentren der Schweiz. Zählt man das dicht besiedelte Umland dazu, leben in der Agglomeration Zürich etwa 1,3 Millionen Menschen. Diese Bevölkerungsdichte hat Auswirkungen auf den Straßenverkehr und somit auch auf die Versorgungssicherheit der Spitäler. Gemäß der Verkehrsdatenauswertung der Firma Inrix „Global Traffic Scorecard” verlieren Autofahrer in Zürich 50 Stunden pro Jahr durch Stau oder stockenden Verkehr. Zürich belegt damit den 98. Platz von rund 1000 untersuchten Städten. New York schafft es mit seinen 117 Staustunden pro Jahr und Fahrer auf den Rang 5.

Mit Playmobil Drohnenflüge finanzieren

Vor diesem Hintergrund stellte sich für den Bereich Logistik & Services des Stadtspital Zürich (STZ) die Frage, wie ein nachhaltiger und wirtschaftlicher Transport von rasch verfügbaren Medizingütern zwischen den Standorten unabhängig vom Einfluss des Straßenverkehrs in Zukunft möglich wäre. „Für uns war von vornherein klar, eine der naheliegendsten Möglichkeiten lag im Transport mit Drohnen, dies im Bewusstsein, dass es auf dem Markt noch keine fixfertige Lösung zu finden gab”, sagt Michael Zuber, Bereichsleiter Logistik & Services Stadtspital Zürich. Damit war die Idee geboren, zumindest einen Pilotversuch mit Drohnen zu wagen. Mitten in der COVID-19-Pandemie für ein solches Projekt Gelder zu akquirieren, stellte sich praktisch als Ding der Unmöglichkeit dar. Doch dank der Stadtverwaltung und ihrer „Strategie Smart City Zürich”, die innovativen Vorhaben nicht bloß offen gegenübersteht, sondern diese auch finanziell unterstützt, konnte eine wichtige Partnerin gewonnen werden.

Neben einer Projektskizze reichte die Einreichung eines dreiminütigen Pitch-Videos, um sich für einen Innovationskredit bei „Smart City Zürich” zu bewerben. Einzige Voraussetzung war, der Kreativität keine Grenzen zu setzen. Somit begab sich der Projektleiter auf den Dachboden seines Elternhauses und holte die Krankenhaus-Playmobil-Figuren aus seiner Kindheit hervor, kombinierte diese mit einer Spielzeugdrohne und einem Spielzeug-Personenwagen, das als Kurierfahrzeug eingesetzt wurde. Die Geschichte ist schnell erzählt. Während der Eingriff an der Playmobil-Patientin dank der raschen Drohnenlieferung bereits durchgeführt war, stand der Spielzeug-Personenwagen immer noch im Stau. „Uns hat nicht nur die kreative Herangehensweise überzeugt, sondern v. a. der innovative Charakter des Projekts, Drohnentransporte in der Krankenhauslogistik einzusetzen. Genau solche Vorhaben, welche die nachhaltige Entwicklung fördern und Zürich als Innovations- und Wirtschaftsstandort stärken, unterstützen wir gerne aktiv und finanziell im Rahmen unseres Innovationskredits”, sagt David Weber, Leiter „Smart City Zürich”.

Für uns war von vornherein klar, eine der naheliegendsten Möglichkeiten lag im Transport mit Drohnen, dies im Bewusstsein, dass es auf dem Markt noch keine fixfertige Lösung zu finden gab.

 

Voraussetzungen für Drohnenflüge schaffen

Ganz so einfach wie die Geschichte im Video-Pitch verlief das Projekt dann doch nicht. Im Vorfeld bedurfte es vieler Abklärungen, bis die Drohne ihren Jungfernflug zwischen den beiden Spital-Standorten Waid und Triemli antreten durfte. Mit der Firma Matternet fand das Stadtspital Zürich einen kompetenten Partner, der bereits einen großen Erfahrungsschatz als Drohnenbetreiber im Spitalumfeld mit sich bringen konnte. Fast noch relevanter war der Vertrauensvorsprung den Matternet gegenüber dem schweizerischen Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) genoss und immer noch genießt. Derzeit muss jede Flugstrecke seitens BAZL einzeln bewilligt werden, falls Drohnen eingesetzt werden, die außerhalb des direkten Sichtkontaktes (Beyond Visual Line of Sight; BVLOS) fliegen. Dabei geht es im Grunde genommen darum, alle Vorkehrungen so zu treffen, dass bei Drohnenoperationen Menschen und Objekte in der Luft oder am Boden nicht zu Schaden kommen. Das BAZL verwendet hierfür ein komplexes Verfahren namens SORA (Specific Operations Risk Assessment), an das sich Drohnenbetreiber halten müssen, um eine Betriebsgenehmigung zu erhalten.

Darüber hinaus bedarf es für die operative Durchführung eine Mission Control, welche jede Flugbewegung der Drohne live überwacht, ähnlich dem Control Tower eines Flughafens. Zusätzlich besteht die Vorgabe seitens BAZL, dass am Start- und Landepunkt der Drohne jeweils ein Operateur stationiert sein muss, obwohl die Drohne grundsätzlich autonom, also nicht auf Sicht fliegt. Gerade diese Vorgabe macht den Drohnenbetrieb im Vergleich zu einem herkömmlichen Kurier noch sehr teuer. Technisch sind die Voraussetzungen jedoch bereits heute gegeben, dass die Drohne vollautomatisiert fliegen könnte. „Wir haben einen Drohnentyp entwickelt, der nun eine höhere Systemverfügbarkeit hat, sprich bei praktisch allen Wetterlagen fliegen kann”, so Peter Trempeck, der operative Leiter von Matternet Schweiz.

Wir haben einen Drohnentyp entwickelt, der nun eine höhere Systemverfügbarkeit hat, sprich bei praktisch allen Wetterlagen fliegen kann.

Nicht zu unterschätzen sind ein gutes internes Stakeholder-Management und eine zielführende und transparente interne und externe Kommunikation bei einem solchen Projekt. Nicht alle haben darauf gewartet, dass in Zukunft Drohnen über ihren Köpfen schwirren, auch wenn sie zu einem sinnvollen Zweck wie beispielsweise dem Transport von Laborproben eingesetzt werden. Drohnen sind in der Schweiz nach wie vor ein neues Phänomen am Himmel und dementsprechend bestehen noch viele Bedenken. Neben generellen Sicherheitsaspekten und der zusätzlichen Lärmbelästigung aus der Luft galt die größte Sorge der Beobachtung durch Drohnen-Kameras. Im Gegensatz zu Drohnen, die man privat heute in jedem Elektronikgeschäft kaufen kann, sind die Drohnen von Matternet jedoch nicht mit Kameras ausgestattet, sondern mit hochkomplexen Sensoren, die auf jede Veränderung in der unmittelbaren Umgebung reagieren. Die Steuerung der Drohne im Luftraum erfolgt dabei via GPS.

Erfolgreicher Pilot und Perspektiven

Am 25. Juli 2022 war es dann endlich so weit: Die erste Blutprobe wurde per Drohne vom Waid ins Triemli versandt. Weitere 296 Transportflüge folgten bis Ende Januar 2023. Der Betrieb verlief reibungslos und ohne kritische Vorkommnisse. Mit der definierten Flugroute konnte sogar ein kleiner Rekord verbucht werden, gehörte sie mit ihren 5,1 Kilometer doch zur weltweit längsten „BVLOS-Drohnenstrecke” über städtischem Gebiet. Leider war die Operation auf lange Sicht nicht rentabel und deshalb mussten die Flüge nach dem Pilotbetrieb eingestellt werden.

Zahlen und Fakten:

Hier kommen Sie zum Video des Einsatzes der Drohne!

  • Teststrecke: 5,1 km
  • Transportzeit: 5 Minuten 18 Sekunden
  • Fluggeschwindigkeit: 16 Meter pro Sekunde
  • Anzahl Drohnenflüge: 296 Flüge

Es besteht jedoch Hoffnung, dass Drohnentransporte zukünftig nicht nur nachhaltiger, sondern kostengünstiger als herkömmliche Kurierdienstleistungen werden. „Wir haben einen Drohnentyp entwickelt, der nun eine höhere Systemverfügbarkeit hat, sprich bei praktisch allen Wetterlagen fliegen kann”, sagt Peter Trempeck, operativer Leiter von Matternet Schweiz. Auch seitens der Regulationsbehörde BAZL gibt es mit ihrer U-Space-Initiative positive Signale. Der U-Space ist ein festgelegtes Gebiet im Schweizer Luftraum, in den Drohnenbetreiber eine Sammlung von digitalen Diensten nutzen dürfen, die sie beim sicheren Betrieb ihrer Drohnen unterstützen. Dies würde den Bewilligungs- und Automatisierungsprozess für Drohnenoperationen massiv beschleunigen. Gewisse Stimmen meinen, dass die ersten Pilotversuche für einen solchen U-Space über Zürich geplant seien.

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