ComplianceDigitale Systeme helfen bei Hygienekontrollen der Betten

Im Fall einer Klage müssen Krankenhäuser darlegen, dass Hygienestandards eingehalten wurden. Digitale Systeme können dabei unterstützen, die Nachweispflichten zu erfüllen.

Klinikbetten
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Symbolfoto

Es gibt mittlerweile zahlreiche Lösungen, die ganze Prozesse im Krankenhaus digital abbilden und unterstützen. Solche Lösungen eignen sich dazu, notwendige und standardisierte Abläufe, wie zum Beispiel im Rahmen der Bettenplanung und des Hygienestatus, gleichzeitig einheitlich abzubilden und verlässlich zu dokumentieren. Dies senkt die Fehleranfälligkeit und schafft Transparenz durch die lückenlose Dokumentation aller Schritte.

Als Beispiel für solche Anwendungen eignet sich die automatisierte Bettenaufbereitung mithilfe von Identifikationslabeln, mobilen Endgeräten und einer Bluetooth-Infrastruktur, welche eine präzise Verwaltung von Betten und ein Echtzeit-Asset-Tracking von Medizinprodukten ermöglichen. Diese Lösung integriert die Aufbereitung wiederverwendbarer Medizinprodukte. Jedes dieser Medizinprodukte ist durch einen Bluetooth-Sender nachverfolgbar. Über Endgeräte wie Smartphones oder Tablets sind der exakte Standort, der hygienische und technische Status sowie die tatsächliche Nutzungsdauer jederzeit abrufbar. Grundsätzlich eignen sich solche Systeme auch dazu, das gesamte Bestandsverzeichnis und auch die Medizinproduktebücher einheitlich zu führen.

Schritte werden dokumentiert

Digitale Karte
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Abb. 1 Digitale Karte: Automatisches Tracking mit Bluetooth-Technologie

Durch diese Digitalisierung wird ein umfassender Überblick geschaffen, was den Prozess der Medizinprodukteverwaltung effizienter und transparenter gestaltet, wie in Abbildung 1 dargestellt. Mitarbeiter erhalten hierbei in Echtzeit-Informationen über die Verfügbarkeit und den Zustand von Betten, oder anderen Medizinprodukten, insgesamt oder auf den einzelnen Stationen.

Um den hygienischen und technischen Status, wie in der digitalen Karte in Abbildung 1 angezeigt, zu erhalten, werden bei der Bettenaufbereitung sämtliche Schritte digital festgehalten, vorgeschrieben und dokumentiert. Die Bettenaufbereitung erfolgt hierbei durch eine präzise Schritt-für-Schritt-Anweisung zur Reinigung (siehe [Abb. 2]). Neben einem Zugewinn an Effizienz und Sicherheit im Bereich Betreiberpflichten von Medizinprodukten führt der Einsatz solcher Systeme auch zu einem Zugewinn an haftungsrechtlicher Sicherheit.

Arbeitsschritte zur Aufbereitung
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Abb. 2: In diesen Arbeitsschritten soll die Aufbereitung erfolgen.

Diese Anweisungen richten sich nach der Art der Verschmutzung des Bettes, wobei zum Beispiel zwischen normaler Verschmutzung und Kontamination unterschieden wird. Gleichzeitig orientieren sich die Anweisungen an den Vorgaben für Aufbereitungsprozesse von Medizinprodukten, zum Beispiel nach den vom Robert Koch-Institut (RKI) herausgegebenen Standards.

Zur Sicherstellung der richtigen Zuweisung der Medizinprodukte und der Manipulationssicherheit werden die Bluetooth-Sender im Backend-System mit einer Identifikationsnummer (ID) eindeutig einem Medizinprodukt zugeordnet. Diese Zuordnung kann nicht ohne weiteres von Dritten verändert werden. Mit ihrer Hilfe erhalten Mitarbeiter durch das Scannen des QR-Codes per Endgerät am Bett bzw. am Medizinprodukt die entsprechende Anleitung zur Aufbereitung. Gleichzeitig wird die Zeit erfasst, die für die Reinigung benötigt wird. Diese detaillierten Anweisungen unterstützen dabei, die Betten auf effektive Weise zu reinigen und alle Hygieneanforderungen zu erfüllen. Bei Beendigung der Reinigung wird durch die Mitarbeiter per Endgerät dieser Status digital angegeben, wodurch ein Aufbereitungsnachweis, wie auf Abbildung 3, generiert wird.

Dies ermöglicht dann eine lückenlose Nachverfolgung und erleichtert den operativen Ablauf durch direkten Zugriff auf den Hygienezustand der Betten. Werden die beschriebenen Schritte eingehalten, kann nachgewiesen werden, dass die Betten ordnungsgemäß vorbereitet wurden. In vergleichbarer Weise kann grundsätzlich auch die Aufbereitung, Wartung, Pflege von anderen Medizinprodukten höherer Klassen sowie aktiver Medizinprodukte erfolgen.

Nutzungszyklus
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Abb. 3: Nutzungszyklus #122 für Bett B-1023 (11.05–22.05.2021, 11 Tage, 4,5 Stunden)

Nachweispflichten erfüllen

Das oben beschriebene und ähnliche Systeme können in Krankenhäusern die Mitarbeiter dabei unterstützen, Standards im Hinblick auf die Hygiene und Aufbereitung, Wartung sowie Dokumentation von Medizinprodukten einzuhalten. Jedes in einem solchen System erfasste Medizinprodukt wird mittels QR-Codes maschinenlesbar und die wesentlichen Parameter werden so erkennbar und überprüfbar. Es wäre überzogen, davon auszugehen, dass ein solches System fehlerfrei oder lückenlos wäre, durch die automatisierte Dokumentation z. B. des Starts eines Reinigungsvorganges spricht jedoch der erste Anschein dafür, dass das Produkt tatsächlich gereinigt wurde.

Da die einzelnen Schritte zwar standardisiert vorgegeben, jedoch (natürlich) nach wie vor von Mitarbeitern tatsächlich durchgeführt werden müssen, ist auch hier die Möglichkeit von Fehlern gegeben. Auch die Eingabe der im Bestandsverzeichnis oder Medizinproduktebuch notwendigen Angaben über Medizinprodukte ist noch manuell erforderlich. Die einmal eingepflegten Daten können dann aber als valide Basis zum Beispiel für die weitere Dokumentation von Wartungen, Aufbereitungen, Reinigungen usw. genutzt werden, die ebenfalls mittels eindeutiger Codierung in demselben System dokumentiert werden.

Mehr Effizienz und Sicherheit

Neben einem Zugewinn an Effizienz und Sicherheit im Bereich Betreiberpflichten von Medizinprodukten führt der Einsatz solcher Systeme auch zu einem Zugewinn an haftungsrechtlicher Sicherheit. Dies gilt zum einen in Bezug auf die Haftung gegenüber Dritten, das heißt zum Beispiel Patienten, die einen Schaden geltend machen.

Hier hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2019 in einem Fall (Urteil vom 19.2.2019 – VI ZR 505 / 17) entschieden, dass, wenn der – vermeintlich – geschädigte Patient behauptet, durch mangelnde Hygiene geschädigt worden zu sein, es der Behandlerseite obliegt, darzulegen, dass die Hygienestandards eingehalten wurden. Diese sogenannte sekundäre Darlegungslast wurde mit diesem Urteil erstmals so deutlich vorausgesetzt, was dazu führt, dass ein Krankenhaus in einem Behandlungshaftungsverfahren darlegen muss, wie es die geltenden Hygienestandards einhält, wenn nur der Patient schlüssig behauptet, durch eine Verletzung dieser Standards zu Schaden gekommen zu sein. Hier besteht häufig das Problem, dass selbstverständlich hygienisch gearbeitet wird, die Dokumentation der Hygienemaßnahmen aber inkonsistent und lückenhaft sein kann.

Unter Einsatz des oben beispielhaft beschriebenen Systems kann durch Ausdruck einheitlicher Protokolle nun der Nachweis von Reinigungen, Aufbereitungen, Wartungen und Reparaturen leichter geführt werden. Auch sind die betreffenden Medizinprodukte eindeutig identifizierbar. Es gibt gar nicht selten bislang in Verfahren Zweifel dahingehend, welches konkrete Gerät tatsächlich im Rahmen einer Behandlung eingesetzt wurde.

Daneben gibt es in der Rechtsprechung eine sich verstärkende Tendenz, Geschäftsführer auch persönlich in Haftung zu nehmen, wenn sie ihren Pflichten nicht hinreichend nachkommen und dadurch Schäden entstehen.

Rechtskonformes Verhalten

In Bezug auf die mögliche persönliche Haftung der Geschäftsleitung ist von Bedeutung, dass die Geschäftsleitung im Krankenhaus – wie in jedem anderen Unternehmen – für den rechtskonformen Betrieb einzustehen hat. Diese Pflicht ergibt sich aus den Paragrafen 43 GmbH-Gesetz (GmbHG) und Paragraf 93 Aktiengesetz (AktG), die die Leitung der jeweiligen Organisationsform dazu verpflichten, das Unternehmen nach Recht und Gesetz zu führen. Daneben gibt es in der Rechtsprechung eine sich verstärkende Tendenz, Geschäftsführer auch persönlich in Haftung zu nehmen, wenn sie ihren Pflichten nicht hinreichend nachkommen und dadurch Schäden entstehen. Formal rechtlich handelt es sich um die Inanspruchnahme des Geschäftsführers durch die von ihm geführte Organisation, denn gegenüber einem geschädigten Dritten wie zum Beispiel einem Patienten, der eine Infektion davongetragen hat, haftet nach deutschem Recht nach wie vor die Organisation bzw. die handelnden Personen, das heißt zum Beispiel die behandelnden Ärzte.

Als eines der Ereignisse mit einem besonders großen Schaden ist der sogenannte Hygiene-Skandal in der Universitätsmedizin Mannheim zu nennen, der im Jahr 2015 bekannt wurde. Mittlerweile wird der ehemalige Geschäftsführer zusätzlich zu seiner Haftstrafe von der Klinik persönlich auf Schadenersatz in Höhe von 15 Millionen Euro verklagt. Entscheidend ist, dass der Haftungsgrund in der Verantwortung für die rechtssichere Unternehmensführung liegt. Es ist dabei klar, dass der Geschäftsführer nicht jeden einzelnen Prozess persönlich verantworten kann.

Er kann jedoch dafür Sorge tragen, dass Standards rechtskonformen Verhaltens, zum Beispiel eine Betten- oder Instrumentenaufbereitung nach wissenschaftlichen Methoden fest in seinem Haus implementiert werden. Dafür kann er Mitarbeiter beauftragen, die Standards niederzulegen, umzusetzen, zu überwachen. Die implementierte Struktur muss verlässlich sein und unabhängig von den einzelnen Mitarbeitern funktionieren, in diesem Rahmen muss sich die Geschäftsführung regelmäßig davon überzeugen und diese Prüfung entsprechend dokumentieren, dass die Delegation funktioniert und alle Prozesse grundsätzlich ordnungsgemäß durchgeführt werden. Damit wird er seiner sogenannten Organisationsverantwortung gerecht.

Umsetzung der Organisationsstandards

Durch diese Darlegung wird bereits deutlich, wie automatisierte Prozesse bei der Umsetzung der Organisationsstandards helfen können und wie sich die automatisch erfolgende Dokumentation der einzelnen Schritte als Beleg für die fehlerlose Umsetzung im Krankenhaus eignet. Entscheidend für die Güte der Hygieneautomatisierung ist zum einen die Passgenauigkeit auf die Bedarfe des konkreten Hauses und die Verlässlichkeit der analogen und digitalen Kontrollen, Schulungen von Mitarbeitern, regelmäßige Prüfungen, Updates und Checks im Hinblick auf die Qualität der Ergebnisse. Alle diese Maßnahmen, die überwiegend auch weiterhin analog erfolgen, müssen ebenfalls in geeigneter Weise durchgeführt werden. Es wird also deutlich, dass die oben beschriebenen Anwendungen zu einer erhöhten Verlässlichkeit zum Beispiel von Hygienemaßnahmen beitragen können sowie eine deutlich verbesserte Qualität der Dokumentation erreichen, der Aufwand für die mit der Sicherung der Compliance des Hauses befassten Mitarbeiter dürfte sich insgesamt allerdings nur wenig reduzieren. Schon gar nicht darf sich die Geschäftsleitung nach Implementierung eines solchen Systems zurücklehnen und sich auf die digitale Lösung verlassen.

Dennoch ist die Erhöhung der Sicherheit durch eine verbesserte Qualität sowohl des eigentlichen Arbeitsprozesses als auch dessen Dokumentation ein erhebliches Plus an Absicherung auch gegenüber einer möglichen Haftung.

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