Goodhart’s Gesetz sollte niemals unterschätzt werden
Ein weiteres Zitat, das in der Literatur auch als Goodhart’s Law bezeichnet wird, kann ebenfalls helfen, durchaus gängige Fehler beim Arbeiten mit Kennzahlen zu vermeiden. Charles Goodhart, Professor für Volkswirtschaftslehre an der renommierten London School of Economics, adressiert sehr pointiert die wichtige Frage, welche Funktion eine Kennzahl übernehmen soll: Wenn eine Kennzahl zur Zielvorgabe wird, verliert sie möglicherweise schnell an Aussagefähigkeit („when a measure becomes a target, it ceases to be a good measure“). Kennzahlen eignen sich oft sehr gut dazu, komplexe Sachverhalte verständlich zu machen. Die Arbeit mit Kennzahlen bekommt aber einen ganz anderen Charakter, wenn die gleiche Kennzahl als Zielvorgabe, vielleicht sogar als Grundlage für finanzielle Anreize (Incentive) verwendet wird, weil von der Zielvorgabe natürlich eine induktive Wirkung auf das Verhalten der Beteiligten in einem System ausgeht.
Die Kennzahl „Kosten pro Bestellung“ kann beispielsweise eine sehr sinnvolle Information sein, um die Effizienz des Einkaufs zu beurteilen und mit anderen Häusern oder Unternehmen anderer Branchen zu vergleichen. Eine sinnvolle Interpretation ist aber nur möglich, wenn der Nenner nicht manipuliert wird. Wenn der Druck aus der Zielvorgabe zu hoch wird, könnten die Beteiligten auf die Idee kommen, den Quotienten durch mehr Bestellungen bei gleicher Warenmenge und ähnlichem Einkaufsvolumen künstlich zu senken. Literatur und Praxis kennen eine breite Palette von möglichen Funktionen von Kennzahlen: Operationalisierung, Anregung, Zielvorgabe, Steuerung, Kontrolle, u. a. Goodhart’s Gesetz ist ausgesprochen hilfreich, um zu verstehen, dass die Aussagekraft von Kennzahlen ganz entscheidend davon abhängt, welche dieser Funktionen gerade im Mittelpunkt steht.
Zahlen alleine sind noch keine Maßnahme
Als fünftes und letztes Zitat soll noch auf folgenden Satz eingegangen werden: „Wer Tore schießen will, sollte auf den Ball schauen und nicht auf die Anzeigetafel.“ Oder etwas rustikaler: „Das Schwein wird nicht vom Wiegen fett, man muss es auch füttern.“
Dieser Satz ist eigentlich so selbsterklärend wie kaum ein anderer. Dennoch lässt sich in der Praxis nicht selten beobachten, dass er in seiner Bedeutung unterschätzt wird. Daher sehen moderne Performance-Management-Systeme stets vor, Kennzahlen und Zielvorgaben auch mit geeigneten Maßnahmen zu kombinieren. Fehlt es an geeigneten Maßnahmen und/oder deren praktischer Umsetzung, „starrt das Kaninchen auf die Schlange“.
Fazit
Gerade im Einkaufscontrolling lassen sich Fluch und Segen des Arbeitens mit Kennzahlen gut beobachten. Die einen verwalten Zahlenfriedhöfe, die nur vordergründig objektive Entscheidungsgrundlagen bieten. Die anderen stochern im Nebel und fahren auf Sicht, weil es keine Zahlen gibt und/oder sie bewusst darauf
verzichten wollen. Die fünf genannten Zitate können wertvolle Hilfestellung geben, um eine geeignete Balance zu finden.
Erschienen in Klinik Einkauf 05/21 Jetzt kaufen!




Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!
Jetzt einloggen