AutomatisierungWie KI die Krankenhauslogistik transformiert

Datengetriebene KI kann die Logistik in den Kliniken verändern. Dabei stellen Transport, Materialversorgung und Pflegedokumentation beispielhafte Anwendungsfälle dar. Eine große Hürde sind die Qualität und Verfügbarkeit von Daten.

Modulkörbe
Fraunhofer IML
Automatische Erfassung der Modulkörbe und Materialbedarfe mittels Objekterkennung und Kameramodul „AI4Demand“.

Künstliche Intelligenz wird häufig als Lösungsansatz für die aktuellen Herausforderungen im Gesundheitswesen diskutiert – doch viele als KI-Systeme beworbene Lösungen basieren noch auf klassischen, regelbasierten Ansätzen ohne echte Lernfähigkeit. Das transformative Potenzial echter KI-Anwendungen mit beispielsweise maschinellem Lernen ist noch weitgehend ungenutzt – insbesondere in der Krankenhauslogistik.

Die logistischen Herausforderungen eines Krankenhauses sind immens: 15.000 Artikel müssen täglich koordiniert, bis zu 1000 Transporte bewältigt werden. Diese Komplexität macht die Krankenhauslogistik zu einem idealen Anwendungsfeld für datengetriebene KI. Als Querschnittsfunktion beeinflusst sie alle Bereiche und bietet im Gegensatz zur bereits KI-durchdrungenen medizinischen Diagnostik noch erhebliche ungenutzte Potenziale.

Die Automatisierung mittels KI reicht von der reinen Datenerfassung über die Generierung von Handlungsempfehlungen bis hin zur vollständig autonomen Ausführung von Aufgaben.

Von regelbasierten Systemen zu lernenden Algorithmen

Bei genauerer Betrachtung der aktuellen Praxis zeigt sich: Viele als KI-Systeme bezeichnete Lösungen in Krankenhäusern arbeiten mit fest programmierten Wenn-dann-Regeln und können sich nicht eigenständig an veränderte Bedingungen anpassen oder aus Erfahrungen lernen. Obwohl solche deterministischen Systeme durchaus wertvoll sind, unterscheiden sie sich grundlegend von lernenden KI-Algorithmen.

Datenbasierte KI-Verfahren, insbesondere maschinelles Lernen, zeichnen sich durch ihre Fähigkeit aus, aus Daten zu lernen und sich dynamisch an neue Situationen anzupassen. Sie entwickeln eigenständig Lösungsstrategien – eine Eigenschaft, die in der hochkomplexen Krankenhausumgebung von besonderem Wert ist.

Die Automatisierung mittels KI reicht von der reinen Datenerfassung über die Generierung von Handlungsempfehlungen bis hin zur vollständig autonomen Ausführung von Aufgaben. Während KI in der medizinischen Diagnostik bereits weit verbreitet ist und sich dort hauptsächlich auf Detektion und Prädiktion konzentriert, bietet die Krankenhauslogistik noch weitgehend ungenutzte Potenziale für weiterreichende Automatisierungsgrade.

Besonders bei der praktischen Ausführung von Aufgaben und Prozessoptimierung liefert die Logistik ideale Anwendungsfälle für KI-Systeme. Autonome mobile Roboter beispielsweise nutzen Schwarmintelligenz und verstärkendes Lernen, um ihre Routenplanung selbstständig an Störfaktoren anzupassen.

Die folgenden drei Anwendungsbeispiele aus der Forschung veranschaulichen, wie datengetriebene KI (in der Regel maschinelles Lernen) erfolgreich zur Optimierung logistischer Prozesse in Krankenhäusern eingesetzt werden kann. Sie zeigen das konkrete Potenzial intelligenter Systeme auf, die über einfache Regelwerke hinausgehen und durch kontinuierliches Lernen echte Mehrwerte schaffen.

Transport: Transportdisposition durch intelligente Prognose

Die interne Transportlogistik bildet das Rückgrat effizienter Klinikabläufe. Herkömmliche Dispositionssysteme arbeiten mit starren Algorithmen, die bei kurzfristigen Änderungen oder unerwarteten Situationen schnell überfordert sind. Das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung ehemals geförderte Forschungsvorhaben „KIK_Dispo“ demonstrierte das transformative Potenzial KI-gestützter Lösungen in diesem Bereich.

Netzwerk
Fraunhofer IML
Netzwerk zur Visualisierung von Transportbeziehungen zwischen Funktionsbereichen eines Krankenhauses.

Das entwickelte System nutzt maschinelles Lernen für eine adaptive Transportsteuerung, die kontinuierlich aus Erfahrungen lernt. Dabei werden multiple Faktoren simultan berücksichtigt: typische Auslastungszeiten, verfügbares Personal, Transportdringlichkeit und dynamische Störfaktoren. Die KI analysiert Transportbeziehungen zwischen verschiedenen Organisationseinheiten und identifiziert Muster sowie Anomalien im Netzwerk zur Analyse des optimalen Transportweges (siehe Abbildung oben).

Die praktischen Ergebnisse zeigen, dass damit Effizienzsteigerungen in der Anzahl der durchzuführenden Transporte erzielbar sind. Die KI ermöglicht zudem prädiktive Planungsansätze, die dynamische Einflussfaktoren und flexible Reaktionen auf unvorhergesehene Ereignisse berücksichtigen. Intelligente Wegeführung, Vermeidung von Leerfahrten und optimierte Aufzugsnutzung steigern die Gesamteffizienz erheblich.

Besonders bedeutsam ist ebenfalls die Entlastung des Pflegepersonals, das durch wegfallende Botengänge mehr Zeit für patientennahe Tätigkeiten gewinnt. Diese Zeitersparnis führt zu einer verbesserten Versorgungsqualität und hilft, den Fachkräftemangel zu kompensieren.

Materialversorgung: Automatisierte Bestellung durch Computer Vision

Die Bestandsführung von Medizin- und Verbrauchsmaterial stellt eine zentrale logistische Herausforderung dar. Traditionelle Modulschranksysteme nach dem Kanban-Prinzip erfordern manuelle Überwachung und Prozessanstöße durch Pflegekräfte oder Versorgungsassistenten. Diese Prozesse sind fehleranfällig und zeitaufwendig.

Das Forschungsprojekt „AI4Demand“ des Fraunhofer IML entwickelte eine innovative Lösung mittels KI-gestützter Bildverarbeitung. Intelligente Kameraeinheiten über den Modulschränken werden durch Bewegungserkennung aktiviert und analysieren in Echtzeit den Füllstand einzelner Fächer. Eine trainierte KI erkennt zuverlässig leere Fächer unter verschiedenen Umgebungsbedingungen und bei teilweiser Verdeckung (siehe Foto oben).

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Die automatische Bestellauslösung kann über eine direkte Schnittstelle an das krankenhausinterne Bestellsystem realisiert werden. Um höchste Datenschutzstandards zu gewährleisten, wird die gesamte Bildverarbeitung und KI-Analyse ausschließlich lokal auf den Kameraeinheiten in Echtzeit durchgeführt – keine Bilddaten verlassen das System. Lediglich die strukturierten Bestellinformationen mit Materialbezeichnung und benötigter Menge werden an den Einkauf übertragen.

Die praktischen Vorteile sind erheblich: signifikante Zeitersparnis für das Versorgungspersonal, optimierte Materialverfügbarkeit und verbesserte Flächenauslastung durch Echtzeitverwaltung und Bestandsreduktion. Das Pflegepersonal kann sich verstärkt auf Kernaufgaben der Patientenversorgung konzentrieren, während die Versorgungssicherheit gleichzeitig steigt.

Pflegedokumentation: Sensorgestützte Pflegedokumentation mit Deep Learning

Die Dokumentation von Pflegetätigkeiten bindet täglich durchschnittlich 52 Minuten je Schicht pro Pflegekraft – wertvolle Zeit, die nicht direkt der Patientenversorgung zugutekommt. Das EFRE.NRW-geförderte Projekt „Eingabefreie Station“ entwickelte eine Lösung zur Automatisierung dieses Pflegedokumentationsprozesses.

Das System hat das Potenzial Dokumentationsaufwände erheblich zu reduzieren und Fehlerquellen gleichzeitig zu minimieren.

Am Kasack angebrachte mobile Sensoren erfassen Pflegetätigkeiten automatisch und analysieren diese mittels maschinellen Lernens in Echtzeit. Maschinelles Lernen ordnet die erkannten Tätigkeiten den zuvor angelernten Pflegetätigkeiten über die Erkennung von Mustern zu und trägt sie in den Tätigkeitsnachweisen ein. Eine nachträgliche Prüfung und Bestätigung durch das Pflegepersonal erfolgt über mobile Endgeräte, bevor die Daten in die Patientenakte übertragen werden (siehe Abbildung unten). Das System hat das Potenzial Dokumentationsaufwände erheblich zu reduzieren und Fehlerquellen gleichzeitig zu minimieren. Die automatisierte Dokumentation ermöglicht eine spürbare Entlastung der Pflegekräfte und schafft mehr Zeit für direkte Patienteninteraktion, welche der Gesundung der Patienten zugutekommt.

Herausforderungen bei der KI-Implementierung

Trotz der vielversprechenden Anwendungsbeispiele bestehen erhebliche Implementierungsherausforderungen, die den flächendeckenden Einsatz von KI in der Krankenhauslogistik derzeit noch begrenzen.

Datenqualität und -verfügbarkeit: Datengetriebene KI-Systeme sind nur so gut wie ihre Datengrundlage – eine kritische Voraussetzung für den Erfolg von KI-Anwendungen ist daher der Zugang zu hochwertigen, umfangreichen und gut strukturierten Daten. Die im Gesundheitswesen häufig anzutreffende Fragmentierung von Daten sowie deren unvollständige oder erschwerte Zugänglichkeit stellen bedeutende Hindernisse dar. Insbesondere in nichtmedizinischen Bereichen stehen in Krankenhäusern oftmals keine hochwertigen Daten zur Verfügung. 

Hier bieten Human-in-the-Loop-Konzepte (HITL) einen vielversprechenden Lösungsansatz, bei dem Experten während der Nutzung von KI-Systemen einbezogen werden. Logistikspezialisten, Pflegefachkräfte oder Ärzte arbeiten direkt mit den KI-Systemen zusammen und trainieren diese kontinuierlich durch ihre Expertise. Durch diese Kombination von künstlichem und menschlichem Expertenwissen entstehen leistungsstärkere und kosteneffiziente KI-Anwendungen.

Abbildung zur bewegungsbasierten Pflegedokumentation
Fraunhofer IML
Grundidee der bewegungsbasierten Pflegedokumentation.

Systemflexibilität und Anpassungsfähigkeit: Krankenhäuser sind hochdynamische Umgebungen mit sich ständig ändernden Anforderungen. KI-Systeme müssen flexibel genug sein, um auf neue Situationen zu reagieren, ohne dabei ihre Leistungsfähigkeit zu verlieren. Die Balance zwischen Spezialisierung und Adaptivität stellt eine zentrale Herausforderung dar.

Transparenz und Vertrauen: Gerade im sensiblen Gesundheitswesen birgt eine als Blackbox wahrgenommene KI das Risiko mangelnder Akzeptanz. Es gilt, ein ausgewogenes Maß an Nachvollziehbarkeit zu etablieren, das Vertrauen schafft, ohne die Nutzer zu überfordern. Erklärbare KI wird zunehmend wichtiger für die Akzeptanz im klinischen Umfeld.

Wirtschaftliche Bewertung: Die Investitionskosten für KI-Systeme sind erheblich, während der Return on Investment oft schwer quantifizierbar ist. Krankenhäuser benötigen klare Business Cases und nachweisbare Effizienzgewinne, um KI-Projekte zu rechtfertigen.

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