
Die Management- und Entscheidungsverantwortlichen in Krankenhäusern stehen aktuell vor vielfältigen Herausforderungen. Neben den prominenten Themenfeldern Fachkräftemangel, Mitarbeiterbindung und Ressourcenengpässe, treten zunehmend Finanzierungsprobleme und Qualitätsstandards in den Vordergrund. Darüber hinaus bilden veränderte Patientenerwartungen, wandelndes Leistungsspektrum sowie nachhaltige Vernetzungs- und Umweltaspekte verstärkt auftretende Handlungsfelder.
Hinsichtlich der Diskussion und Umsetzung möglicher Lösungsansätze zur Bewältigung derartig vielfältiger und existenzbedrohender Veränderungen treten zunehmend Dienstleistungsqualität, Digitalisierung und Logistik bzw. deren Bündelung über hybride Dienstleistungen mittels Servitization in den Fokus. Diesbezüglich ergibt sich die Frage: Inwieweit ermöglicht eine verstärkte Serviceorientierung der übergreifenden Leistungserbringung die Steigerung der Versorgungsqualität und Optimierung des Ressourceneinsatzes im Krankenhaus?
Krankenhaus als Gesundheitsdienstleister
Ein Krankenhaus ist fokussiert auf die stationäre Patientenversorgung und fungiert in erster Linie als übergreifender sowie spezialisierter Gesundheitsdienstleister. Die breite Palette an unterschiedlichen medizinisch-pflegerisch-therapeutischen Dienstleistungen zielt dabei auf die Wiederherstellung und Prävention der Gesundheit und des Wohlbefindens der adressierten Bevölkerung bzw. Patienten ab. Hierzu wird ein umfassendes Spektrum an Infrastruktur, Personalkapazitäten und -kompetenzen sowie diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten vorgehalten bzw. patientenindividuell eingesetzt.
Socialize your Services
Aktuelle Bestrebungen der Optimierung und Innovation in der Krankenhausversorgung werden dominiert von Technologieeinsatz, Digitalisierung und Automation, wobei Prozessoptimierung und Ressourceneffizienz vielfach im Vordergrund stehen. Gleichzeitig erfordert insbesondere die Patientenversorgung soziale und kulturelle Elemente, wie niederschwellige Kommunikation, situationsbezogene Empathie, soziale Unterstützung sowie kulturelle Spiritualität. Für die stationäre Patientenversorgung ist es somit von zentraler Bedeutung, die bestehende wissenschaftlich-technologische Leistungserbringung, um soziale und kulturelle Komponenten zu erweitern und zu bereichern.
Servitization als Gestaltungsprinzip
Servitization als fusioniertes Product-Service-System beschreibt den verstärkten Trend zu hybriden Dienstleistungen (Kombination aus Hard- und Software sowie Service) sowie die damit verbundene (Weiter-)Entwicklung von Prozess- und Geschäftsmodellen. Hierbei rückt der direkte lösungsorientierte Mehrwert für die jeweiligen adressierten Kunden und Leistungsempfänger (z.B. Patienten, Mitarbeiter, Zuweiser) in den Vordergrund. Diese Entwicklung wird maßgeblich durch die logistischen Ansätze Pull-Prinzip und Kombination von Produkt- und Dienstleistungselementen bestimmt.
Eine hybride und passgenaue Logistik in der Krankenhausversorgung trägt dazu bei, die Dienstleistungsqualität (z.B. zeitgenaue Bereitstellung der Produktionsfaktoren) zu verbessern, die Mitarbeiterzufriedenheit (z.B. reduzierte professionsfremde Tätigkeiten) zu steigern sowie die Wirkung der Prozesse (z.B. bedarfsgerechte Verfügbarkeit von Ressourcen am Point-of-Use) zu optimieren. Für die logistischen Unterstützungsprozesse im Krankenhaus bedeutet dies eine intensivierte Ausrichtung auf die primären Leistungsprozesse und adressierte Patientenversorgung.
Kunde als Supervisor
Neben der Qualitätssicherung, der Effizienzsteigerung, des Risikomanagements sowie der Einhaltung von Vorschriften und Standards gilt es im Krankenhaus eine entsprechende Daten-, Informations- und Wissensbasis zu schaffen, die die kontinuierliche Verbesserung der Strukturen und Prozesse unterstützt. Diesbezüglich bilden die Patienten und externen Partner wie auch internen Kunden und Mitarbeiter eine respektable Perspektive und wesentliche Funktion hinsichtlich der Überwachung, Bewertung und Verbesserung der Service- und Dienstleistungsqualität im Krankenhaus. Die unterschiedlichen Kunden eines Krankenhauses können daher als Supervisor für die Dienstleistungsqualität fungieren.
Servitization Reifegrad
Die gebündelte Versorgungsqualität im Krankenhaus, die sich aus den unterschiedlichen medizinisch-pflegerisch-therapeutischen Leistungen sowie den serviceorientierten Strukturen und Prozessen zusammensetzt, gilt es zu verbessern und weiterzuentwickeln. Traditionell liegt der Fokus dabei auf den Gesundheitsdienstleistungen und Professionen der verschiedenen Health Professionals. Im Rahmen der ganzheitlichen Betrachtung und hybriden Leistungserbringung bedarf es einer verstärkten Berücksichtigung der Servicequalität bzw. der diesbezüglichen Unterstützungsprozesse (z.B. Patientenlogistik, Hotelleistungen, Materialwirtschaft).
Ein erster Schritt ist hierbei die Identifizierung des aktuellen Reifegrades der Serviceausgestaltung im Krankenhaus. Dies kann sowohl über Fremd- als auch Selbsteinschätzungen erfolgen. Im Rahmen zweier Online-Umfragen unter Entscheidungs- und Managementverantwortlichen (kollegiale Führung) ergab sich ein mittlerer Reifegrad der Serviceausgestaltung sowie ein geringerer digitaler Reifegrad in österreichischen Krankenhäusern (siehe Abb.1).

Digital Servitization
Die Bündelung hybrider Gesundheitsdienstleistungen sowie die Forcierung der digitalen Transformation zielt auf eine umfassende und konzeptionelle Digital Servitization ab. Diese bezieht sich auf den planvollen und umfassenden Veränderungsprozess, durch den die Krankenhäuser ihre komplexen und individuellen Gesundheitsdienstleistungen umwandeln bzw. ergänzen, um zusätzlichen Nutzen für ihre Patienten bzw. Kunden zu schaffen. Digital Servitization im Krankenhaus umfasst dabei, neben der digitalen Erweiterung der unterschiedlichen Gesundheitsdienstleistungen, insbesondere die Nutzung digitaler Technologien und Daten und die Verbesserung des Ressourceneinsatzes sowie die professionalisierte Disposition der unterschiedlichen Wertschöpfungsparameter (siehe Kasten).
Digital Servitization
- digitale Erweiterung unterschiedlicher Gesundheitsdienstleistungen, wie z.B. Telemedizin, digitale Gesundheitsprogramme, Patientenschulungen
- Nutzung digitaler Technologien und Daten, wie z. B. digitale Patientenakten, Gesundheitsportale, elektronische Fieberkurve, digitaler Zwilling
- Verbesserung des Ressourceneinsatzes, wie z.B. Standardisierung, Flow-Optimierung, Belegungsmanagement
- professionalisierte Disposition unterschiedlicher Wertschöpfungsparameter, wie z. B. Dienstleistungsqualität, Mitarbeitermotivation, Patientenzufriedenheit, Ressourceneffizienz
Hinsichtlich der digitalen Servitization von Logistik und Unterstützungsprozessen im Krankenhaus gilt es, die Integration digitaler Technologien und Services in die Bereiche der Logistik, Beschaffung, Disposition und Unterstützungsdienste voranzutreiben. Ziel ist es, die Effizienz zu steigern (z. B. Automation von Versorgungsketten, digitales Lagermanagement), den Ressourceneinsatz zu senken (z. B. Resource Tracking, Predictive Maintenance) sowie die Qualität der Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern (z. B. Online-Terminplanungssysteme, Patientenportale, Qualitäts- und Nachhaltigkeitsberichtswesen).
Kundenzufriedenheit als Messgröße
Als zentrale Akteure im Krankenhaus, die den Ressourceneinsatz, die Leistungserbringung sowie die Wertschöpfung bestimmen, gelten Mitarbeiter und Patienten. Deren aktives Handeln und situative Entscheidungen beeinflussen maßgeblich die Compliance der involvierten Akteure, die Versorgungsqualität der Leistungsprozesse sowie die Wirtschaftlichkeit des Ressourceneinsatzes eines Krankenhauses.
Eine zentrale Messgröße für die zielgerichtete und partizipative Leistungsbereitschaft von Patienten und Mitarbeitern sind Zufriedenheitsindikatoren, die mittels unterschiedlicher Methoden (z. B. Befragung, Interviews, Critical Incident Reporting System, Net Promoter Score) erhoben werden. Die Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit geben wichtige Einblicke, Informationen und Einschätzungen bzgl. verschiedener Aspekte der Gesundheitsversorgung (z.B. Servicequalität, Kommunikationsniveau, Leistungsvertrauen) und des Arbeitsumfelds (z.B. Wertschätzung, Vertraulichkeit, Privatsphäre) im Krankenhaus.
Everything as a Service
Die Krankenhausversorgung ist gekennzeichnet durch einen zunehmenden Wettbewerb und Konkurrenzkampf um unterschiedliche Kundensegmente und verschiedene Ressourcengruppen. Dies erfordert, hinsichtlich einer zukünftigen Versorgungsqualität im Krankenhaus, eine ganzheitliche Serviceausgestaltung und zielgerichtete Disposition der vielfältigen Aktivitäten, Ressourcen und Professionen. Entwickelte sich in der Vergangenheit der Patient vom „Objekt“ zum „Subjekt“ sowie der Mitarbeiter von der „Ressource“ zum „Wertschöpfungsfaktor“, so gilt es zukünftig die Vielzahl unterschiedlicher Aktivitäten und Entscheidungen sowohl im Einzelnen als auch im Ganzen als Service gegenüber Patienten und Mitarbeitern zu interpretieren und auszurichten.
Mithilfe Servitization, hybrider Dienstleistungen und logistischer Gestaltungsansätze lassen sich erforderliche und messbare Mehrwerte hinsichtlich Dienstleistungsqualität und Serviceorientierung in Richtung der Steigerung der Versorgungsqualität und der Optimierung des Ressourceneinsatzes im Krankenhaus anstreben und realisieren.
Autor
Prof. Dr. Johannes Kriegel MBA, MPH, ist Professor für Gesundheitsmanagement, Department Gesundheits-, Sozial- und Public Management, Fachhochschule Oberösterreich und Privatdozent sowie assoziierter Forscher am Institut für Management und Ökonomie im Gesundheitswesen, UMIT Tirol – Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik.




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