
Es soll ja immer noch Geschäftsführungen von Krankenhäusern geben, die Einkauf und Logistik nicht zur Chefsache machen. Das ist in gewisser Weise auch nachvollziehbar, weil die Sachkosten relativ gesehen eindeutig den kleineren Anteil am Gesamtbudget ausmachen im Vergleich zu den Personalkosten und der permanente Druck durch externe Aufsichtsgremien und Stakeholder viel Zeit der obersten Führungsebene in Anspruch nimmt. Gleichwohl ist es eindeutig zu kurz gedacht, die Materialwirtschaft nicht zur höchsten Priorität zu zählen. Überzeugungsarbeit für diese Position können die folgenden drei Argumente liefern.
Von „cost stickiness“ und „low hanging fruits“
Personalkosten zu senken ist eine unangenehme Managementaufgabe und wirkt – wenn überhaupt möglich – erst mit zum Teil erheblichen zeitlichen Verzögerungen. Die akademische Betriebswirtschaftslehre hat dafür den Begriff der „Kostenremanenz“ (englisch cost stickiness) geprägt und vielfach empirisch nachgewiesen: Bei Umsatzrückgang schaffen es Unternehmen in der Regel nur langsamer die fixen Kosten zu reduzieren, als bei Umsatzsteigerungen sprungfixe Kosten aufgebaut werden, beispielsweise durch Personalneueinstellungen. Materialkosten sind dagegen die „niedrig hängenden Früchte“ (englisch low hanging fruits).
Vermeidung von Materialverschwendungen, Reduktion von Verbrauchsmengen oder Preisnachlässe als Folge von Mengenbündelungen führen zu sehr schnell bilanzwirksamen Einsparungen. In den Privatisierungswellen zwischen 1995 und 2015 hat es Fälle gegeben, in denen der Trägerwechsel fast allein über Einsparungen bei den Einkaufskosten finanziert werden konnte.
Bei dieser Argumentation wird natürlich vorausgesetzt, dass eine Sachkostenreduktion ohne Einschränkungen bei der Leistungsqualität und den Erlösen erfolgen kann. Aber nur Pessimisten halten das für unrealistisch. Viele Krankenhäuser weisen bei den Materialkosten nennenswerte Einsparpotenziale auf. Sie werden nur nicht gehoben, weil die ManagementKapazität dafür fehlt.
Qualitätsbehandlung erfordert hochwertige Materialströme
Die primäre Aufgabe eines Krankenhauses besteht darin, den Gesundheitszustand seiner Patienten in möglichst positiver Richtung zu verändern. Dies ist naturgemäß eine vorrangig bilateral personenbezogene Dienstleistung, setzt allerdings professionelle Materialströme voraus. Auch der begnadetste Operateur kann nicht ohne Skalpell und andere Medizinprodukte seine Tätigkeit erfolgreich verrichten. Hochwertige medizinische Outcomes sind damit nur möglich, wenn es professionelle Materialströme gibt. Medizinische Qualität hängt auch von der Performance im Sachkostenbereich ab.

Dies ist keine Raketenwissenschaft, sollte jedoch immer wieder angesprochen werden. Materialflüsse sind kein Selbstzweck und sollten nicht nur mit Kosten in Verbindung gebracht werden. Einkauf und Logistik zählen nicht zu den Primärprozessen in einem Krankenhaus. Sie gehören aber zu den besonders wichtigen Sekundärprozessen und verlangen daher die volle Aufmerksamkeit des Managements.
Suboptimale Logistik geht ins Geld
Materialströme haben Auswirkungen auf Personalkosten Das dritte und vielleicht wichtigste Argument besteht darin, dass Personal und Sachkosten insbesondere in einem Krankenhaus keine separaten Bereiche sind, sondern sich vielmehr wie kommunizierende Röhren verhalten. Schlecht organisierte Materialströme führen in aller Regel zu Problemsituationen, die schlicht mit unnötigem Personaleinsatz entschärft oder gelöst werden. Wenn an einem Leistungsort (OP, Intensivstation, Behandlungszimmer) dringend benötigtes Material fehlt, wird auf Personalressourcen zugegriffen und der nicht optimale Materialtransport ganz einfach durch manuelle Arbeiten und Wegezeiten nachgebessert. Das mag als klassischer „Workaround“ täglich akzeptiertes Verhalten sein, sollte aber nicht den Blick darauf verstellen, dass es stets etwas Besseres für dieses Personal zu tun gibt und daher Opportunitätskosten entstehen.
Das systematisch Wichtige an dieser Sichtweise ist, dass suboptimale Materialflüsse negative Auswirkungen auf die Personalkosten haben können. Damit sollte sich auch der letzte Skeptiker überzeugen lassen. Der Personalkostenblock ist im Krankenhaus größer als die Sachkosten, aber es geht bei Einkauf und Logistik auch um Personalkosten.
Fazit
Die in diesem Beitrag aufgeführten Argumente sind nicht grundsätzlich neu, aber in der Gesamtsicht vielleicht doch geeignet, einmal mehr zu betonen, dass Einkauf und Logistik auf der Agenda von Krankenhausgeschäftsführungen ganz nach oben gehören. Materialflüsse sollten nicht nur unter der Perspektive der Effizienz („die Dinge richtig tun“) betrachtet werden. Es braucht den Perspektivenwechsel hin zur Effektivität („die richtigen Dinge tun“). Nur wer beides gleichzeitig beherrscht, kann ein Krankenhaus erfolgreich führen.




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