SpeisenversorgungKochen für das Klima

In der Krankenhaus-Küche lässt sich viel für das Klima tun. Zahlreiche Kliniken entdecken die Speisenversorgung als interessanten Motor für mehr Nachhaltigkeit – wie Kurt Krechel, Küchenleiter der Rhein-Mosel-Fachklinik in Andernach.

Rhein-Mosel-Fachklinik
Landeskrankenhaus
Nachhaltig erfolgreich: In der Rhein-Mosel-Fachklinik Andernach kontrollieren Kurt Krechel (Leiter Verpflegungsmanagement Landeskrankenhaus) und Kirsten Klein (stellv. Leiterin der Produktion) eingelagerte Lebensmittel.

Kurt Krechel mag es, Partner zu vernetzen. Mit seinem Team hat der Küchenleiter der Rhein-Mosel-Fachklinik (RMF) im rheinland-pfälzischen Andernach nicht nur deren Speisenversorgung nahezu komplett neu erfunden. Unter dem Motto „Genießen mit Verantwortung“ setzen alle im Haus gemeinsam ein Konzept um, das Aspekte wie Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und hochwertige Versorgung in den Mittelpunkt stellt. Die Basis von Krechels Einkaufsphilosophie ist ein Netz aus acht Lieferanten, und der Küchenleiter hat viel Energie darauf verwendet, sie, wo immer sinnvoll, miteinander zu verknüpfen. So liefert etwa die Neuland GmbH in Münster ihr Bio-Fleisch an einen Metzger, der 35 Kilometer Luftlinie von der RMF entfernt seinen Familienbetrieb führt und Schwein und Geflügel ganz nach Krechels Wünschen verarbeitet. So mag er das: „Es war aufwendig“, sagt Krechel, „aber jetzt läuft alles rund.“

Die Themen Küche und Speiseabfall-Reduzierung beschäftigen zahlreiche Krankenhäuser in Deutschland. „Da steckt richtig Geld drin“, ist Annegret Dickhoff von der Umweltschutzorganisation BUND überzeugt: „Ein Kilogramm entsorgter Lebensmittelabfall kostet rund zwei Euro.“ Dickhoff leitet das Projekt „KLIK green – Krankenhaus trifft Klimaschutz“, das sich an Krankenhäuser und Reha-Kliniken richtet. Bundesweit können 250 Einrichtungen teilnehmen und durch verstärkte Klimaschutzmaßnahmen Kohlendioxid (CO2) einsparen. „Krankenhäuser werden immer ein großer Verbraucher von Energie und Produkten bleiben“, weiß die BUND-Frau, die Frage sei aber, wie sie dabei einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck erreichten.

„Der Speiseabfall ist ein großer Hebel“, bestätigt Thomas Diekamp: „Damit verbessern die Häuser ihre Klimabilanz und können obendrein gleich dreifach sparen – neben der Entsorgung auch beim Einkauf und bei der Zubereitungszeit in der Küche“, sagt der Referent für Klimaschutz in der Sozialen Arbeit, der im AWO-Bundesverband das Projekt „Klimafreundlich pflegen“ betreut. Schon die maßvolle Verkleinerung von Fleischportionen und eine etwas reduzierte Wurstauswahl, machten sich stark bemerkbar: „Je größer die Auswahl, desto größer die Abfallmenge“, so Diekamp.

Rhein-Mosel-Fachklinik: Besonderes Konzept für Küche und Einkauf

Kurt Krechel in Andernach liefert dafür ein Paradebeispiel. Durch ihr Küchenkonzept spart die RMF gegenüber dem alten System jährlich unter anderem rund neun Tonnen Fleisch ein. Die Küche hat den Speiseplan neu definiert und dabei auch rund 150 vegetarisch geprägte Rezepte erstellt und integriert. Weil es statt ursprünglich acht Menülinien nur noch drei gibt, werden pro Jahr mehr als 26.000 Blatt Papier weniger bedruckt. Zudem fallen Hunderttausende Plastikschalen weg, weil Krechels 25 Mitarbeiter starkes Team zum Beispiel Quark wieder selbst herstellt und in Porzellanschalen portioniert. Die täglich rund 1300 Mittagessen kommen im Schöpf- oder Tablettsystem auf die Stationen. Gleichzeitig werden Lieferwege minimiert, etwa weil die Klinik die 48 Tonnen Kartoffeln, die sie jährlich verbraucht, von einem Landwirt direkt in Andernach bezieht.

All diese Ideen für „Genießen mit Verantwortung“ haben Kreise gezogen und der Klinik den Frankfurter Preis beschert. Mit der Auszeichnung ehrt das Magazin „gv-praxis“ Konzepte in der Gemeinschaftsgastronomie. Kandidaten können sich nicht bewerben, sondern werden ausgewählt. Auch andere Krankenhäuser interessieren sich seither für das Projekt und suchen den Kontakt zu Krechel. Innerhalb des eigenen Unternehmens, dem Landeskrankenhaus (AöR) – zu dem die RMF gehört –, wurde mit dem Gesundheitszentrum Glantal eine weitere Klinik auf das Konzept umgestellt.

Krechel, der Leiter „Verpflegungsmanagement“ im Landeskrankenhaus ist, weiß, dass er in Andernach für Krankenhäuser eher ungewöhnliche Bedingungen hat: „Ich kann so einkaufen, wie ich es für richtig halte, und in unserer Küche tatsächlich noch frisch produzieren und so Arbeitsplätze erhalten.“ Krechel, selbst Metzgermeister und Betriebswirt, weiß diese Chance seit Jahren zu nutzen. „Ich gehe nicht rein nach dem Preis. Wichtig ist auch, wie ergiebig Produkte sind – zum Beispiel Nudeln in ihrem Quellverhalten oder das Fleisch beim Braten.“ Heute setzt er rund 23 Prozent Bio-Produkte ein, „aber nicht nur Bio heißt Nachhaltigkeit, die Mischung macht‘s“.

Fast die Hälfte seines Lebensmitteleinkaufs im Gesamtwert von rund 1,8 Millionen Euro ist regional, lokal, Neuland, Fairtrade oder eben Bio. Das alles führt zu einem Rohbeköstigungssatz von 4,70 Euro. „Das ist mehr als Krankenhäuser im Durchschnitt zahlen, aber wir sind betriebswirtschaftlich richtig gut und haben ein positives Ergebnis“, betont Krechel. Zudem mag er nicht nur die reinen Zahlen gelten lassen, sondern verweist „auf das Ganze“ – die Lieferketten, die gestiegene Zahl der Gäste im Betriebsrestaurant, die Außenreputation und die Arbeitsplätze. „Nachhaltigkeit hat auch eine soziale Komponente.“

Auch deshalb setzt Krechel im Umgang mit seinen Lieferanten auf Fairness, gegenseitige Wertschätzung und eine langfristige Zusammenarbeit. „Ich springe nicht ständig am Markt rum.“ Wichtig ist ihm direkter Kontakt: „Vom Büro aus ist eine solche Umstellung nicht zu stemmen.“ Und er hat gelernt, dass sich ein Projekt wie seins „eher mit kleinen, innovativen Partnern realisieren lässt als mit großen“. Versteht sich fast von selbst, dass sie in Andernach auch beim Kauf neuer Geräte besondere Kriterien anlegen. Die Energieeffizienz hatte bei den neuen Kombidämpfern, der Spülmaschine oder den Kühlschränken, die in den vergangenen Jahren angeschafft wurden, hohe Priorität, versichert Krechel.

LWL-Kliniken und Rebional: Kurze Lieferwege garantiert

Wie im RMF steht Nachhaltigkeit auch bei der nordrhein-westfälischen Rebional GmbH im Fokus. Die Tochtergesellschaft des Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke kauft Backwaren, Gemüse und Obst sowie Molkereiprodukte und Getränke von Lieferanten aus einem Umkreis von maximal 50 bis 100 Kilometern ein. Dabei setzt das Unternehmen wie Kurt Krechel auf langfristige Lieferpartnerschaften und einen hohen Bio-Anteil. Der ist auch Thomas Voß wichtig. Die LWL-Kliniken in Münster und Lengerich, deren kaufmännischer Direktor Voß ist, haben sich Regionalität und Saisonalität in Kombination mit ökologisch erzeugten Lebensmitteln auf die Fahnen geschrieben. Eier beispielsweise beziehen die zwei Häuser nur in Bio-Qualität von zertifizierten Bio-Höfen im Münsterland. Damit sind auch kurze Lieferwege garantiert. Kräuter werden selbst in zur Einrichtung gehörenden Gewächshäusern gezogen.

Krankenhäuser als Wegbereiter für stärker pflanzenbasierte Ernährung

Reduzieren Küchenleiter wie Kurt Krechel und einige seiner Kollegen den Fleischverbrauch in ihren Klinikküchen, hat das einen enormen Effekt auf die Klimabilanz. Wer sich beispielsweise einen Monat lang fleischlos ernährt, spart dem Projekt „Klimaretter – Lebensretter“ der Stiftung Viamedica zufolge in der Zeit mehr als 50 Kilogramm CO2 ein. Statt 100 Gramm Fleisch pro Tag nur halb so viel zu essen, senkt den CO2-Ausstoß pro Jahr demnach um 350 Kilogramm. Zudem sei „die Einbindung von Bio-Lebensmitteln grundlegend für eine nachhaltige Betriebsstrategie“, sagt Dr. Carola Strassner. Die Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens Averdis in Münster, mit dem auch Kurt Krechel zusammengearbeitet hat, sieht Krankenhäuser gar als potenzielle „Wegbereiter für eine ausgewogene und stärker pflanzenbasierte Ernährung“. So könnten sich Kliniken als „verantwortungsvolle, zukunftsweisende und ganzheitliche Institutionen zeigen“.

Mit dem Deutschen Krankenhausinstitut und der BKK ProVita haben die Berater jetzt den Wegweiser „Pflanzlich. Nachhaltig. Gesund.“ für Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen veröffentlicht. Er thematisiert auch die Speiseplangestaltung und den Lebensmitteleinkauf, beschreibt gesundheitliche und ökologische Vorteile einer pflanzenbasierten Ernährung und betrachtet das Thema aus unterschiedlichsten Perspektiven – „vom Koch über den Arzt und die Pflegedienstleitung bis zur Geschäftsführung“, erklärt Strassner: „Die medizinische Versorgung und die Verpflegung dürfen nicht entkoppelt betrachtet werden – beide tragen zum Erhalt und zur Verbesserung des Gesundheitszustands bei.“ Im Idealfall werde die Ernährung gewissermaßen Teil der Medikation.

Klinik Fallingbostel: Speiseabfälle werden minimiert

Auch die Klinik Fallingbostel hat sich unter anderem vorgenommen, die Speiseabfälle zu minimieren. Seit Dezember 2019 unterstützt die auf Kardiologie spezialisierte Reha-Klinik in Niedersachen die Initiative „Zu gut für die Tonne“, mit der das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft der Lebensmittelverschwendung den Kampf angesagt hat. Den Klinikverantwortlichen geht es vor allem darum, Patienten und Mitarbeiter für das Thema zu sensibilisieren. „Das geschieht mit einem dreiteiligen Appell während der Erklärung unseres Speisesaals und des Buffets sowie im Rahmen der Ernährungsberatung“, sagt Verwaltungsleiter Tobias Schuchhardt.

Mit einem Augenzwinkern werden dabei alle Nutzer aufgefordert, den Speisesaal nie mit knurrendem Magen zu verlassen. Gleichzeitig mögen sie ihre Teller jedoch nicht zu sehr füllen, sondern lieber ein zweites oder drittes Mal ans Buffet gehen und schließlich, bitteschön, nur leere Teller zurückgeben. Die Resonanz begeistert Schuchhardt schon jetzt: „Die Patienten sind für das Thema sehr empfänglich und haben Verständnis.“ Durch den bewussteren Umgang mit der Verpflegung muss das Buffet erkennbar weniger bestückt werden, und die Klinik spart sowohl beim Einkauf von Lebensmitteln als auch bei der Zubereitung. Zwar kann Schuchhardt noch keine genauen Zahlen vorlegen, doch bei den Beköstigungskosten sei bereits eine leichte Tendenz erkennbar. „Wir haben die Abfallmenge schon deutlich reduziert – und das ohne großen Aufwand“.

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