
Rund acht Tonnen Abfall produziert eine durchschnittliche deutsche Klinik jeden Tag. Bundesweit sind es jährlich knapp fünf Millionen Tonnen. Damit gelten Krankenhäuser als fünftgrößter Müllproduzent in Deutschland. Diesem Problem widmet sich das Projekt SustainMed. Das Ziel: Die Entwicklung eines Abfall- und Ressourcen-Managements für medizinische Produkte und Verfahren, um die Verwendung von Einwegmaterial zu minimieren und die Recyclingquote zu optimieren. BioRegio Stern Management ist einer von vier Partnern in diesem Projekt.
Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg stellt den vier Partnern von SustainMed insgesamt rund 400.000 Euro zur Verfügung, um ein Nachhaltigkeitsinstrument zu schaffen, das eine ganzheitliche ökologische Transformation der Gesundheitswirtschaft ermöglichen soll. Denn momentan werden in Krankenhäusern zu viele Materialien verbraucht. Wo die Hygiene im Vordergrund steht, wird das Thema Recycling allzu oft ignoriert. Dies gilt insbesondere für Abläufe, in denen große Müllmengen wie Windeln, Bettunterlagen oder auch Einmalinstrumente wie Scheren anfallen.
Inzwischen wächst die Zahl an Personen, die dieses Wegwerfen zunehmend kritisch betrachten. Dazu gehören sowohl das Personal als auch die Patienten. Doch der Recycling-Prozess ist komplex: Viele Medizinprodukte bestehen aus Mischmaterialien, eine Zuordnung zu einer einzelnen Stoffklasse ist in diesem Fall nahezu unmöglich. Hohe regulatorische Anforderungen bei der Entsorgung und Aufbereitung erschweren nachhaltige Ansätze zusätzlich. Für klinische Wertstoffe gibt es weder in Deutschland noch in Europa etablierte Verwertungspfade.
Pilotanwendungen werden in Tübingen installiert
Die Partner des Projekts erstellen Prozesse und digitale Instrumente, die zunächst an der BG Klinik Tübingen als Pilotanwendung installiert werden. Die Klinik ist auf die Akutversorgung und Rehabilitation schwerverletzter und berufserkrankter Menschen spezialisiert. Noch sei die Zahl an Lösungsansätzen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen überschaubar, erklärt Prof. Tina Histing, Ärztliche Direktorin der BG Klinik Tübingen. Der Wunsch nach einer nachhaltigeren Versorgung sei vorhanden, es fehle jedoch die digitale prozessuale Unterstützung, ergänzt sie.
Daher werden im Rahmen des Projekts SustainMed zunächst die Anforderungen der Akteure aus Medizintechnikindustrie und Krankenhäusern erhoben, um Potenziale für die Vermeidung und Wiedernutzung von Produkten durch Abfallanalysen, Prozessbeobachtung, Teilnehmer-Befragung und Sekundäranalysen im Krankenhaus zu identifizieren. Sie münden in vereinfachte Kreisläufe zur Reduktion von Material und zur Steigerung von Recyclingquoten. Gemeinsam mit Pflegepersonal, Ärztinnen und Ärzten, Management, Einkauf und Herstellern sollen so standardisierte und einfache Bewertungskonzepte für die Entwicklung und den Einsatz nachhaltiger Produkte konzipiert und eingeführt werden.
Wie Dr. Thomas Helle, Geschäftsführer der Novis GmbH und Experte für Nachhaltigkeit, Recycling und Abfallmanagement, erklärt, werde im Projekt „vor allem die Nutzungsintensivierung von Produkten durch die Wiederverwendung von gebrauchten Gütern im Gesamten oder in Teilen, durch Remanufacturing, Instandhaltung, Reparatur, Modernisierung oder kaskadische Nutzung untersucht.“ Auch Potenziale für das Produktdesign, etwa durch Verwendung von Sekundärrohstoffen, Substitution von problematischen Materialien, Modularität und bessere Reparierbarkeit sollen untersucht werden – jeweils unter Berücksichtigung regulatorischer Aspekte.
Medizintechnikunternehmen und Kliniken müssen sich auf Augenhöhe austauschen.
Es steht eine Online-Plattform bereit, wo der Nachhaltigkeitsprozess entlang der gesamten Wertschöpfungskette abgebildet wird. Auch werden dort die verschiedenen Angebote für die unterschiedlichen Akteure gebündelt. Mithilfe dieser Plattform soll nicht nur Recycling gefördert, sondern auch Abläufe in der Klinik vereinfacht und Pflegepersonal entlastet werden.
Auch die Medizintechnikindustrie soll frühzeitig in den Prozess eingebunden werden. „Medizintechnikunternehmen und Kliniken müssen sich auf Augenhöhe austauschen“, betont Projektleiterin Anja Reutter. BioRegio Stern Management könne dieses Vorhaben mit einem großen Netzwerk unterstützen. „Wir freuen uns, dass wir mit diesem Projekt einen Beitrag dazu leisten können, dass ressourceneffizientes Wertstoffmanagement in der Gesundheitsindustrie zum Alltag wird. Wir wollen die Frage beantworten, wie Patienten optimal versorgt werden können, ohne weitere Müllberge zu produzieren“, erklärt Reutter.




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