
Auch wenn es inzwischen schon bekannt sein sollte: ESG steht für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Environmental, Social und Governance) und bezieht sich auf die drei zentralen Aspekte der Nachhaltigkeit in Unternehmen generell. Umwelt bezieht sich auf den Umgang mit natürlichen Ressourcen und die Reduzierung von Umweltauswirkungen. Soziales umfasst die Berücksichtigung der Belange von Mitarbeitenden, Kunden und der Gesellschaft insgesamt im Rahmen von Arbeits- und Gesundheitsschutzaspekten. Governance bezieht sich auf die Unternehmensführung, Unternehmenswerte und die Einhaltung ethischer Standards.
Was versteht man unter ESG im Kontext des Einkaufs?
Für die Integration von ESG-Aspekten im Einkauf ist ein regulatorischer Rahmen gegeben, der alle Unternehmen – und damit auch Krankenhäuser – in die Pflicht nimmt, ESG-Faktoren in ihre Geschäftspraktiken zu integrieren. Beispiele sind hier das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG) oder die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSDR) der EU. Grundsätzlich muss in Krankenhäusern das Wissen zu nachhaltigen Einkaufspraktiken aufgebaut und der Einkauf befähigt werden, nachhaltige Entscheidungen zu treffen.
Lieferantenmanagement und -auswahl nach ESG-Kriterien:
Umwelt:
Überprüfung der Umweltauswirkungen der Lieferanten, wie Energie- und Wasserverbrauch und Abfallmanagement
Bewertung der Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen und zur Förderung erneuerbarer Energien
Berücksichtigung des Einsatzes umweltfreundlicher Materialien und Verpackungen
Prüfung der Lieferanten auf die Einhaltung von Umweltstandards und -zertifizierungen (z. B. ISO 14001)
Soziales:
Bewertung der Arbeitsbedingungen und Einhaltung von Menschenrechten in der Lieferkette
Berücksichtigung von Maßnahmen zur Förderung von Chancengleichheit, Vielfalt und Inklusion
Überprüfung der Lieferanten auf die Einhaltung von Arbeitnehmerrechten und fairen Löhnen
Prüfung der Maßnahmen zur Gesundheit und Sicherheit der Mitarbeiter in der Lieferkette
Unternehmensführung:
Bewertung der Geschäftspraktiken und Einhaltung von ethischen Standards durch die Lieferanten
Überprüfung der Transparenz in der Unternehmensführung und der Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften
Grundsätzlich muss in Krankenhäusern das Wissen zu nachhaltigen Einkaufspraktiken aufgebaut und der Einkauf befähigt werden, nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Dabei ist es wichtig, dass auch der Bereich Einkauf eine gesamthafte Sichtweise auf die Sachkosten hat, die eben nicht nur den medizinischen Sachbedarf umfassen, sondern auch Energie oder Abfall oder den Lebensmitteleinkauf. ESG-Kriterien müssen umfassend bereits bei der Auswahl der Lieferanten anhand derer ESG- bzw. Nachhaltigkeitsbilanz berücksichtigt werden.
Maßnahmen im Einkauf für nachhaltige Akzente
Im Einkauf können verschiedene Maßnahmen und Strategien angewendet werden, um nachhaltige Akzente zu setzen und ESG zu integrieren. Dabei geht es im Kern um das Ziel, stabile und störungsresistente Versorgungsketten zu sichern, die definierten regulatorischen Anforderungen in Deutschland zu erfüllen und die notwendige Transparenz in den Lieferketten zu schaffen (siehe Abb. 2).


Instrumente und Methoden zur Überprüfung der Nachhaltigkeit
Die Kliniken gehen in den Dialog mit den Lieferanten, um gemeinsame Nachhaltigkeitsziele zu entwickeln und umzusetzen. Ferner werden Nachhaltigkeitszertifizierungen wie ISO 14001 (Umweltmanagement) oder ISO 26000 (soziale Verantwortung) als Indikator für die Nachhaltigkeitsleistung von Lieferanten berücksichtigt. Indem Audits vor Ort durchgeführt werden, kann die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards in den Lieferketten überprüft werden (siehe Abb. 3).

Herausforderungen und Lösungsansätze
ESG im Einkauf können nicht allein verwirklicht werden. Das Krankenhaus benötigt eine strategische Positionierung, wie mit dem Thema insgesamt umgegangen werden soll, daraus müssen die Eckpunkte für den Einkauf abgeleitet werden. So muss die Beziehung zu einer Einkaufsgemeinschaft unter ESG-Gesichtspunkten neu gedacht bzw. weiterentwickelt werden. Auch dieser Stakeholder muss sich in das Thema einbringen und dem Krankenhaus bei der Erfüllung der eigenen ESG-Ziele helfen.
Die Einforderung von Nachhaltigkeitsreports und Sicherstellung eines offenen Dialogs über die ESG-Ziele des Krankenhauses können mangelnder Transparenz in der Lieferkette entgegenwirken. Sollte ein begrenztes Bewusstsein und Wissen über nachhaltigen Einkauf bei den Mitarbeitenden des Einkaufs vorliegen, so können Schulungen und Schulungsmaterialien für Mitarbeitende angeboten werden.
Begrenzte Ressourcen und Budgets für den nachhaltigen Einkauf können durch Transparenz über Mehrkosten von nicht an ESG-Aspekte ausgerichteten Einkaufsentscheidungen geschaffen werden und werden durch strategische Partnerschaften mit nachhaltigen Lieferanten aufgrund von Skaleneffekten bestärkt. Der Widerstand gegen Veränderungen im Einkauf kann durch die umfassende und gesamthafte Begleitung mit einem Change-Management-Programm und einer zielgerichteten Kommunikationsstrategie entschärft werden. Ferner kann die Komplexität der Nachhaltigkeitsbewertung von Lieferanten mit der Einführung standardisierter Bewertungstools und -frameworks für die Bewertung von Lieferanten verringert werden.
Anwendungsbeispiele für die Integration von ESG-Aspekten
In der Praxis setzten einige Krankenhäuser bereits diese Praktiken um und integrieren ESG-Aspekte in ihre Beschaffungsstrategien. Die folgenden Beispiele beschreiben einen Ausschnitt der Praktiken mit denen nachhaltige Akzente im Einkauf gesetzt werden und ein Schritt in Richtung ESG gegangen werden kann.
Beispielweise entwickelte das Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe in Berlin einen Kriterienkatalog für Lieferanten und verpflichtet sich, bis 2030 keine Produkte mehr bei Lieferanten zu beziehen, die ihre Verpflichtung der Klimaneutralität nicht erfüllen.
Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) hat eine nachhaltige Beschaffungsstrategie eingeführt und bezieht beispielsweise umweltfreundliche Reinigungsmittel und recycelbare Verpackungen auf Basis „grüner“ Einkaufskriterien.
Agaplesion hat im evangelischen Diakonissenkrankenhaus Leipzig ein nachhaltiges Kreislaufsystem implementiert, bei dem schädliche Narkosegase gefiltert werden, bevor sie in die Atmosphäre abgegeben werden. Dabei werden die im Filter gesammelten Narkosegase zurückgewonnen und aufgearbeitet, die leeren Flaschen sowie anfallende Plastikreste werden wiederverwendet. Das reduziert den Beschaffungsbedarf.
Das Klinikum Stuttgart setzt auf lokale Lieferanten und bezieht regionale Lebensmittel für ihre Patienten und Mitarbeitenden, um die CO2-Emissionen zu reduzieren und die lokale Wirtschaft zu unterstützen.
Fazit
ESG-Aspekte sind bereits jetzt, wesentlich getrieben durch den vorgegebenen regulatorischen Rahmen, von hoher Relevanz für den Einkauf und werden weiter an Bedeutung gewinnen. Darüber können sich Krankenhäuser nachhaltig für die Zukunft aufstellen und ihren Beitrag für die Umwelt und Gesellschaft leisten.
Vor allem der direkte Dialog und die Kooperation mit Lieferanten wird immer wichtiger werden, um Transparenz in die Lieferkette zu bringen und einen nachhaltigen Einkauf zu ermöglichen. Dabei können Krankenhäuser im Verbund mit anderen Stakeholdern ihre Einkaufsmacht nutzen, um faire Arbeitsbedingungen zu gewährleisten und die nachhaltige Produktion zu fördern.
Die Frage nach der Ressourcenherkunft für Materialien und Produkte wird beim ESG-orientierten Einkauf eine größere Rolle spielen, wodurch Krankenhäuser Entscheidungen darüber treffen müssen, von welchen Lieferanten sie in Zukunft beziehen wollen.




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