Krankenhausapotheke im WandelWas leisten Lean-Konzepte für die Versorgung im Krankenhaus?

Lieferengpässe, steigender Kostendruck und komplexe Anforderungen am Point-of-Care fordern neue Strategien in der Arzneimittelversorgung. Der Beitrag zeigt, wie Lean-Management, Digitalisierung und klare Rollenprofile die Krankenhausapotheke zum zentralen Effizienztreiber machen – und welche Stellhebel Klinikeinkäufer kennen sollten.

Modernes Arzenimittellager mit Roboter
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Symbolfoto

Die Entwicklungen hinsichtlich alternder Bevölkerung, chronischer Leiden und grassierender Infektionskrankheiten wie auch Fortschritte in der Medizintechnologie und Pharmaforschung beeinflussen den Pharmamarkt sowie die Lieferkettenkomplexität für Arzneimittel. Darüber hinaus bestimmen regulatorische Anforderungen, Kosten- und Preisdruck sowie Umweltaspekte und Nachhaltigkeitsbestrebungen die Medikamentenverfügbarkeit am Point-of-Care im Krankenhaus. Als zentrales Bindeglied zwischen externen Produktions- und Liefernetzwerken sowie internen Anforderungs- und Anwendungsfällen agiert die Krankenhausapotheke als pharmazeutischer Komplettversorger für die stationäre Patientenversorgung.

Beschaffungs- und Logistik-Profi Krankenhausapotheke

Die Krankenhausapotheke sowie ihre Pharmacy Professionals spielen aktuell eine zentrale Rolle als Beschaffungs- und Logistik-Profis im Krankenhaus. Ihre Expertisen in den Bereichen Beschaffung und Logistik basieren auf speziellen Qualifikationen und Erfahrungen hinsichtlich des Einkaufs, TUL (Transport, Umschlag, Lagerung), Intralogistik, systematischem Management sowie Berücksichtigung regulatorischer Vorgaben. Insbesondere die vier zentralen Erfolgskreisläufe (Beschaffung, Herstellung, Lagerung und Distribution, siehe Abbildung 1) der Arzneimittelversorgung im Krankenhaus weisen einen hohen Professionalisierungsund Reifegrad auf (Details siehe Kasten).

‣ Standards, z. B. Hygiene- und Qualitätsstandards, Standard Operating Procedures (SOPs)

‣ Einsatz von Technologien, z. B. Lagerautomationssysteme, Temperatur- und Feuchtigkeitsüberwachungssysteme

‣ Digitalisierung, z. B. Computerized Physician Order Entry (CPOE), Barcode-gestützte Verifizierung

‣ Organisationskonzepten, z. B. Realtime-Kanban- Lagerbestandsmessung, Produktions-Workflow- Optimierung

Lean Hospital Pharmacy Erfolgskreisläufe
Lean Hospital Pharmacy
Abbildung 1: Vier zentrale Erfolgskreisläufe (Beschaffung, Herstellung, Lagerung und Distribution) der Arzneimittelversorgung im Krankenhaus.

Herausforderungen in der Medikamentenbereitstellung

Die Arzneimittelversorgung und Medikamentenbereitstellung am Point-of-Care (PoC) im Krankenhaus werden aktuell mit einer Vielzahl unterschiedlicher Herausforderungen konfrontiert. Diese resultieren zum einen aus externen Einflüssen in den Bereichen Umwelt und Recht (z. B. Klimaneutralität, Lieferketten-Transparenz), Technologie und Digitalisierung (z. B. Big Data-/ KI-Systemintegration, Reinraum Automation) sowie Pharmamarkt (z. B. Marktdynamik, Lieferschwankungen), zum anderen aus internen Einflüssen in den Bereichen Organisation und Logistik (z. B. Transportsicherheit, Krisenmanagement), Krankenhausapotheke (z. B. Qualifikationsanforderungen, Personalverfügbarkeit) sowie Patienten und Health Professionals (z. B. Therapietreue, Medikationsfehler). Hieraus ergeben sich vielfältige Themenfelder (z. B. nachhaltige Ressourcennutzung, pharmakologische Kompetenzen) und Verbesserungspotenziale (z. B. übergreifende Effizienzsteigerung, interdisziplinäre Zusammenarbeit), die es zu priorisieren, zu analysieren und zu bearbeiten gilt.

Ineffizienzen in der Arzneimittelversorgung

Aktuell lassen sich in der Arzneimittelversorgung, Medikamentenbereitstellung und Pharmakologie im Krankenhaus trotz bisheriger Anstrengungen und Systemreife vielschichtige Effizienzdefizite beobachten. Ineffizienz in den Bereichen Produktion, Dienstleistung und Logistik bezeichnet die suboptimale Nutzung von Ressourcen (z. B. Arbeitskraft, Arbeitsmittel, Zeit, Raum), was zu längeren Prozesszeiten, höheren Ressourceneinsätzen sowie geringeren Qualitätsniveaus führen kann. Suboptimale Ressourcennutzung resultiert in der Regel aufgrund unzureichender Kommunikation, mangelnder Koordination oder auch ungenügender Kooperation zwischen den involvierten Akteuren und Systemen.

Lean-Systematik nach Taiichi Ohno

Hinsichtlich des Umgangs und der Bewältigung von Qualitätsdefiziten und Ressourcenineffizienzen im Rahmen von Leistungsprozessen und Systemausgestaltungen existieren bereits umfangreiche Gestaltungsansätze und vielfältige Entwicklungsbemühungen. Ein populäres und wirkungsvolles Konzept ist diesbezüglich das Toyota-Produktionssystem (TPS). Hierbei handelt es sich um ein Rahmenwerk zur tatsächlichen Ressourceneinsparungen durch Vermeidung von Verschwendung bzw. Ineffizienzen. In Verbindung mit der Konzeption des TPS entwickelt der Toyota Ingenieur Taiichi Ohno die Lean-Systematik. Diese basiert auf vielfältigen Prinzipien und Gestaltungsansätzen, die darauf abzielen, Verschwendung (japanisch: Muda) zu reduzieren und Prozesse effizienter zu gestalten, ohne dabei die Sicherheit und Qualität zu vernachlässigen. In Bezug auf die Arzneimittelversorgung im Krankenhaus lassen sich nach dieser Lean-Systematik unterschiedliche Muda-Dimensionen sowie damit verbundene Ursachen und Ausprägungen identifizieren (siehe Tab. 1).

Lean Hospital Pharmacy
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Tabelle 1: Ineffizienzen nach Muda

Lean-Management-Ansatz

Zur Bewältigung der vielfältigen Ausprägungen und Ursachen von Ineffizienzen bzw. Verschwendungen hat sich Lean Management als ein umfassender und konzeptioneller Managementansatz herauskristallisiert und teilweise etabliert. Der Lean-Management-Ansatz umfasst dabei eine stetig wachsende Sammlung unterschiedlicher Managementtechniken, die darauf abzielen, Verschwendung zu minimieren sowie die jeweilige Prozessund Ergebnisqualität bzw. Wertschöpfung zu maximieren.

Die unterschiedlichen Lean-Instrumente helfen dabei, Prozesse transparenter zu gestalten, die Qualität zu erhöhen sowie die Patientenversorgung insgesamt zu verbessern.

Hinsichtlich der tatsächlichen Veränderung und operativen Realisierung von Effizienzpotenzialen in der Arzneimittelversorgung im Krankenhaus bieten sich eine Vielzahl unterschiedlicher Managementinstrumente und Veränderungsprozesse an (siehe Tab. 2). Das Spektrum reicht von verbesserter Informationstransparenz durch Digitalisierung (z. B. Clinical Decision Support Systems) über barrierefreie Kommunikation durch reduzierte Interaktionslücken (z. B. RFID-Tracking) bis hin zur standardisierten Prozessgestaltung (z. B. Standard Operating Procedures). Dabei liegt der Fokus des operationalisierten Managementansatzes auf kontinuierlicher Verbesserung, konkreter Fehlervermeidung, nachhaltiger Ressourcennutzung und qualitativer Patientenversorgung. Die unterschiedlichen Lean-Instrumente helfen dabei, Prozesse transparenter zu gestalten, die Qualität zu erhöhen sowie die Patientenversorgung insgesamt zu verbessern.

Lean Hospital Pharmacy
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Tabelle 2: Anwendungsbereiche und Lean-Management-Instrumente

Lean Hospital Pharmacy

Zur gebündelten Ausrichtung und übergreifenden Optimierung der Strukturen und Prozesse der Krankenhausapotheke sowie deren Schnittstellen zu anderen wesentlichen Akteuren und Bereichen der stationären Patientenversorgung bedarf es eines Lean-Hospital-Pharmacy-Konzepts. Hierbei handelt es sich um einen strukturierten Ansatz, dessen Zielsetzung es ist, die Effizienz der Medikamentenbereitstellung zu maximieren sowie die Qualität und mögliche Fehlerquellen u. a. hinsichtlich der klinischen Pharmazie zu minimieren. Erfolgskritische Stellhebel eines Lean-Hospital- Pharmacy-Ansatzes sind dabei u. a. eine klare strategische Zielsetzung, der verstärkte Einsatz moderner Technologien, die Einbindung aller Stakeholder sowie eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung und Weiterentwicklung.

Veränderte Rollenbilder

In Verbindung mit der anvisierten Lean- Organisation und Ablauforientierung der fragmentierten und arbeitsteiligen Leistungserbringung im Krankenhaus ist es erforderlich, die Rollenbilder und Arbeitskulturen der unterschiedlichen Professionen an die veränderten Anforderungen anzupassen. Neben dem gesellschaftlichen, technologischen und organisatorischen Wandel erfordern zunehmende Ressourcenverknappung und Qualitätsbewusstsein eine flexible Anpassung der unterschiedlichen Rollen und Verantwortlichkeiten der involvierten Professionen und Akteure. Für die Krankenhausapotheke sowie die Pharmacy Professionals erweitert sich dadurch ihr Anforderungs- und Tätigkeitsprofil um wissens- und kompetenzbasierte Dienstleistungen (z. B. klinisch-pharmakologische Beratung, proaktives Krisenmanagement, interdisziplinäre Patientenfallbesprechung).

Agile Wertschöpfung im Krankenhaus

Im Hinblick auf eine adressierte zeitnahe Leistungserbringung, flexible Prozessgestaltung, transparente Kommunikation und barrierefreie Kooperation im komplexen Wertschöpfungsgeflecht der stationären Patientenversorgung gilt es zunehmend, funktionierende Ergebnisse unter Einbeziehung der Patienten als Co- Producer zu ermöglichen und sicherzustellen. Lean Hospital Pharmacy und die verbesserte Medikamentenversorgung durch lean-basierte Prozessoptimierung können hierzu einen essenziellen und mehrwertstiftenden Beitrag leisten.

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