
Beim ZUKE Green Health Kongress drehte sich am 23. und 24. November 2022 alles um nachhaltiges Einkaufen und Wirtschaften im Gesundheitswesen. Neben einer Analyse des Status quo widmete sich der erste Kongresstag smarten Lösungen und Nachhaltigkeitsprojekten verschiedener Verbände. Weiterführend wurden Best Practice Beispiele im Bereich Nachhaltigkeitsmanagements und Beschaffung vorgestellt. Diese zeigten erneut, wie wichtig das Thema ist, denn das Gesundheitswesen ist für 5,2 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. „Wir bräuchten drei Erden, um so weiter zu machen“, so Frank Dzukowski, Leiter der Vorstands-Stabsstelle Nachhaltigkeit und Klimamanagement am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Das geht natürlich nicht – umso wichtiger ist es, dass die Nachhaltigkeit eine große Akzeptanz in der gesamten Mitarbeiterschaft findet, meinten auch die anderen Beteiligten der Paneldiskussion.
Ein Thema ist jedoch auch die Finanzierung – generalisierte Ansätze gibt es bislang nicht. Dr. med. Jörg Noetzel der Mühlenkreiskliniken AöR hält beispielsweise einen Klimafonds für sinnvoll. Auch Dr. Irena Schwarzer vom LMU Klinikum München spricht sich für entsprechende Fördertöpfe aus. Die Nachhaltigkeit müsse aus politischer Richtung priorisiert werden – und das geht nur mit entsprechenden finanziellen Mitteln. Noetzel betonte außerdem, dass auch die Krankenhäuser Prioritäten setzen müssen, welche Maßnahmen am meisten bringen. Jannis Michael der Charité sprach sich auch für die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden aus : „Wir müssen das Umdenken von jedem einzelnen hinbekommen“.
Netzwerke bilden und gemeinsam agieren
Der zweite Kongresstag widmete sich unter anderem Nachhaltigkeitsinitiativen und der Frage, wie Wissenschaft und Klinikpraxis hier ineinander greifen. Prof. Dr. Björn Maier, Studiendekan der State University Baden-Württemberg Mannheim, berichtete zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach Deutschem-Nachhaltigkeits-Kodex. Er betonte die ganzheitliche Betrachtungsweise, die der DNK ermögliche, und damit verbundene Wichtigkeit für die Berichterstattung.
Dr. med. Christian Grah, leitender Arzt im Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe stellte als Beispiel für Synergie zwischen Wissenschaft und Praxis das Nachhaltigkeitslabor Havelhöhe vor. In zehn Jahren Forschungszeitraum soll hier wissenschaftliche Herangehensweise in die Projektentwicklung und das neu Denken von Prozessen mit eingehen. Zusätzlich stellt Grah heraus, dass Alleingänge in diesem Bereich zum Scheitern verurteilt seien und man zwingend Netzwerke mit NGOs sowie wenn möglich der Politik bilden müsse. Auch hier waren sich alle Referentinnen und Referenten einig: Gemeinsam gilt es, die Geschwindigkeit in der Nachhaltigkeitsentwicklung zu erhöhen.
Nachhaltigkeit in der Medizintechnik
Pro Klinikbett fallen große Mengen an Abfall an: fünf bis sechs Kilogramm pro Tag. Damit einhergehend entstehen für die Klinken enorme Kosten für die Entsorgung, die sich in einem Krankenhaus mit Maximalversorgung pro Jahr etwa auf 800 Euro je Krankenhausbett belaufen können. Der Bedarf nach mehr Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung ist also da. Eine Initiative stammt beispielsweise von Ethicon, einem Tochterunternehmen von Johnson & Johnson MedTech. 2021 starten die Projekte, die das Recycling von chirurgischen OP-Einweginstrumenten sowie das Recycling von Sterilverpackungen aus Aluminium für chirurgisches Nahtmaterial im Fokus hatten. Allein dadurch konnten in den letzten zwölf Monaten über sieben Tonnen an Medizinprodukten recycelt werden. „Wäre Recycling Pflicht, wäre die Zahl eine andere“, so das Fazit von Daniel Unger, Sustainability Manager von Ethicon. Im Sommer startete ein weiteres Projekt für nachhaltiges Verpackungsdesign in Kooperation mit den Asklepios Kliniken Hamburg.
Niclas Scholz, Market Development Manager von Biosense Webster, stellte das Projekt Recycling von Herzkathetern in der Elektrophysiologie vor. Die Katheter enthalten hochwertige Kunststoffe und Edelmetalle wie Platin und Kupfer - diese gehen bei der normalen Entsorgung jedoch verloren. Das Recycling führt einen Großteil der enthaltenen Rohstoffe der Kreislaufwirtschaft zu, die Pilotphase dazu startete unter anderem am Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen. Laut einer Mitteilung des HDZ NRW werden seit September sämtliche Herzkatheter, die zur Behandlung von Rhythmusstörungen verwendet werden, gereinigt, desinfiziert und als Wertstoffe für die Weiterverarbeitung gesammelt. 1700 Ablationen werden jährlich am HDZ vorgenommen. Ist das Projekt erfolgreich, könnten künftig etwa 10.000 Herzkatheter in ganz Nordrhein-Westfalen der Wiederverwertung zugeführt werden. Schon jetzt gebe es eine große Nachfrage und ein positives Feedback, so Scholz. „Wenn alles gut geht, soll die Recyclinglösung im ersten Quartal 2023 allen Kunden angeboten werden“, sagt er.
Dräger beschäftigt sich in einem Pilotprojekt ebenfalls mit dem Recycling. In seinem Vortrag weist Torben Hagel, Marketing Manager bei Dräger, jedoch auch auf die Fallstricke hin, die solche Projekte mit sich bringen. Diese liegen in den Regulatorien: so lässt es die Medical Device Regulation (MDR) nicht zu, dass recycelte Materialien für medizinische Produkte wiederverwendet werden - so wird aus einem Anästhesie-Beatmungsschlauch beispielsweise kein neuer Schlauch. Die gewonnen Rohstoffe können jedoch für andere Produkte genutzt werden. Dafür ist jedoch noch eine Sondergenehmigung der lokalen Behörde zur Entsorgung notwendig, da die Schläuche als gefährlicher Müll angesehen werden. Durch diese Genehmigung ist das Recyclingprogramm nur für definierte Anästhesie-Beatmungsschläuche von Dräger nach Einsatz mit patientenseitigen Atemssystemfilter und regelmäßiger Wischdesinfektion freigegeben und ausschließlich auf nicht-infektiöse Abfälle ausgelegt. Auch ohne den Einsatz der Filter müssen die Beatmungsschläuche wie bisher auch entsorgt werden.
Bislang steckt das Dräger-Projekt, das in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und der Resourcify GmbH stattfindet, noch in den Kinderschuhen. Die erste Sammlung wurde Anfang November dieses Jahres gestartet, das erste Recycling findet im ersten Quartal 2023 statt. Ab diesem Zeitpunkt werden die CO2-Einsparungen in einem Dashboard reportet. Denkbar ist jedoch eine Ausdehnung auf weitere Produkte aus dem OP-Bereich. „Wir arbeiten uns langsam durch den OP-Bereich an Verbrauchsmaterialien und versuchen diese sinnvoll weiterzuverwenden“, sagt Hagel. Ein weiteres Anliegen ist, das Recycling über Hersteller hinweg zu bündeln. „Es ist nicht praktikabel, dass jeder Hersteller an den Verwendungsstellen Sammelbehälter aufstellt. Dafür brauchen wir andere Lösungen.“




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