
Leistungen wie Essensservice, unterstützende Dienstleistungen und andere „nicht-pflegerische“ Tätigkeiten, die bisher für Patienten und Angehörige zur Verfügung standen, dürfen seit Januar 2025 von den Kliniken nicht mehr über Servicekräfte und andere Beschäftigtengruppen aus dem sogenannten Pflegebudget abgerechnet werden. Hintergrund ist eine Gesetzesänderung durch die Reform des Krankenhausfinanzierungssystems. Mit der Entscheidung stehen viele Häuser vor deutlichen finanziellen Herausforderungen.
Wir setzen auf den Stationen den sogenannten Skill Mix ein.
So auch das Helios Klinikum Schwerin. Es war eines der Ersten, welches seinen Servicebereich schloss. Den Mitarbeitern wurde erst einmal gekündigt. Um weiter in der Klinik arbeiten zu können, müssen sich die ehemaligen Beschäftigten in einer anderthalb-jährigen Ausbildung zum Krankenpflegehelfer qualifizieren. „Wir setzen auf den Stationen den sogenannten Skill Mix ein. Das bedeutet, dass unterschiedlich qualifiziertes Personal die Arbeit gemeinsam ausführt und sich die Aufgaben im Team aufteilt. Neben den dreijährig examinierten Pflegefachkräften setzen wir auch Pflegefachassistenten bzw. Krankenpflegehelfer ein“, erklärt Ines Balkow, Sprecherin im Helios-Konzern. So werde die anfallende Arbeit auf der Station auf alle Schultern verteilt.
Die Vorgaben in Deutschland aus dem Pflegestärkungsgesetz sowie der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung richten den Fokus der Krankenhäuser nun durch eine dezidierte Qualifikationsvorgabe auf ausschließlich pflegerisch ausgebildetes Personal. Mit der Neuordnung der Stationsteams sehe Helios die Chance, sich qualitativ besser und zukunftsweisend aufzustellen.
Vom Service-Mitarbeiter zum Krankenpflegehelfer
Seit 2019 wurde die Zahl der Mitarbeiter im Pflegebereich kontinuierlich erhöht. In umfangreichen Schulungen, Seminaren und innovativen Trainings wurde die fachliche Weiterqualifizierung gefördert. Damit steht Helios nicht allein. Viele Klinik(ketten) wollen sich erst gar nicht zu diesem Thema äußern. Die Städtischen Kliniken „Vivantes“ aus Berlin schon. Auch dort wurden Pflegehilfskräfte beschäftigt, welche weniger als die einjährige Ausbildung für Pflegehelfer absolviert haben (z. B. mit Basiskurs oder angelernt).
Wir brauchen diese Arbeitskräfte auch weiterhin.
Christoph Lang, Pressesprecher von Vivantes, erklärt dazu: „Wir brauchen diese Arbeitskräfte auch weiterhin, weil sie eine wichtige Unterstützung und Entlastung für die examinierten Pflegefachkräfte auf Station sind. Daher planen wir weder Outsourcing noch Kündigungen, sondern wollen diese Mitarbeiter nach und nach weiterqualifizieren.“ Bereits seit zwei Jahren bildet Vivantes Hilfskräfte zu Pflegehelfern und Pflegefachassistenten am eigenen Berufsbildungscampus BBG weiter. Das wird von der Agentur für Arbeit unterstützt, die einen Teil der Differenz zwischen Gehalt und Ausbildungsvergütung übernimmt. Das Angebot wird gut angenommen, so der Sprecher.
Aktuell gäbe es rund 280 Vollzeitkräfte sowie weitere Teilzeitkräfte, welche die Qualifikation noch durchlaufen müssen. Darin enthalten seien auch voll ausgebildete Pflegekräfte, die aus dem Ausland angeworben wurden und die noch auf die Anerkennung ihres Berufsabschlusses durch die deutschen Behörden warten. „Angesichts des Mangels an Pflegekräften, der sich noch verschärfen wird, sollte der Qualifikations-Mix beibehalten werden. Demzufolge brauchen wir hier auch eine Finanzierung über die Kostenträger“, ergänzt Lang.
Kosten auf die Patienten abwälzen?
Der Patientenverband warnt allerdings vor der neuen Struktur. Präsident Dr. Christian Zimmermann sagt: „Die Herausnahme der Service-Leistungen wird die Kliniken zu einem noch stärkeren Sparkurs oder zur Querfinanzierung aus anderen Einnahmen zwingen. Sie wird zur zusätzlichen Belastung der Patienten führen, indem die Service-Leistungen den Patienten in Rechnung gestellt werden, entweder durch den Krankenhausaufnahme-Vertrag oder durch Verweis der Patienten an Service- Dienstleister.“ Das zugrunde liegende Problem seien ohnehin die falschen finanziellen Anreize in unserem Gesundheitswesen, die zu einem immer strikteren Sparkurs bei den Kliniken führen. „Es ist nicht auszuschließen, dass gewisse Annehmlichkeiten, die Angehörige oder Patienten bisher freiwillig bekommen haben, wieder zurückgenommen werden“, sagt auch der Verband der Krankenhausdirektoren.
Die Herausnahme der Service-Leistungen wird die Kliniken zu einem noch stärkeren Sparkurs oder zur Querfinanzierung aus anderen Einnahmen zwingen.
Die Sana Kliniken AG betont demgegenüber, dass keine Reduzierung von Serviceleistungen auf ein Minimum geplant sei und diese Bereiche auch nicht standardmäßig extern vergeben werden. „Ganz im Gegenteil, Sana setzt auf eine weitreichende Qualifizierungsinitiative, um den Servicebereich zu professionalisieren. Ziel ist es, den Servicebereich durch eine Ausbildung zur Pflegefachassistenz zu fördern und die Pflege langfristig zu stabilisieren“ heißt es aus der Pressestelle. Servicekräfte würden weiterhin beschäftigt, gesucht, eingestellt und unterstützt.
Sana setzt auf eine weitreichende Qualifizierungsinitiative, um den Servicebereich zu professionalisieren.
Doch die Beschäftigten in den Krankenhäusern belastet die Situation. „Uns erreichen Berichte von weiteren Outsourcing-Maßnahmen, heraus aus den Versorgungsteams, sowie von Kündigungen, die von Arbeitgebern gegenüber Servicekräften ausgesprochenen werden. Verbunden ist dies mit einer erneuten Verschiebung von Servicetätigkeiten auf die Pflegekräfte“, so ein Sprecher der Gewerkschaft Verdi. Den Pflegefachkräften werde damit Zeit entzogen, die sie für eine gute Pflege der Patienten benötigen. Die Situation sei untragbar und ein Resultat aus einer schlechten Finanzierung der Vorhaltekosten und damit verbundenen Personalkosten.
Externe Dienstleister oft nicht bezahlbar
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) macht ebenfalls das Dilemma sichtbar: „Die Anpassung am Pflegebudget zielte nicht auf bestimmte Tätigkeiten, sondern auf bestimmte Qualifikationsniveaus der entsprechenden jetzt ausgegliederten Personen“, sagt Pressesprecher Joachim Odenbach. Dadurch, dass diese Hilfsfachkräfte, die in den Kliniken sehr geschätzt sind und wesentlich zur Entlastung von Pflegefachpersonen beigetragen haben, nicht mehr über das Pflegebudget finanziert werden, könnten Krankenhäuser vor der Situation stehen, sich von diesem Personal aus wirtschaftlichen Gründen trennen zu müssen, obwohl sie wertvolle Arbeit im Spektrum der pflegerischen Tätigkeiten geleistet haben.
Dies gelte vor allem für die Krankenhäuser, die heute schon mit dem Rücken zur Wand stehen und sich keine weitere finanzielle Belastung mehr leisten können. Ein Ausweichen auf externe Dienstleister sei dabei keine Lösung. Die Gewerkschaft Verdi warnt auf der anderen Seite davor, Servicetätigkeiten wie zum Beispiel die Reinigung von Betten auf Pflegekräfte zu übertragen.
Refinanzierung über Vorhaltekosten gefordert
Es sei absehbar gewesen – so Verdi – dass die Festlegung, im Pflegebudget ab dem Jahr 2025 ausschließlich Pflegepersonal zu berücksichtigen, zu einer betriebsorganisatorischen Reaktion der Arbeitgeber führen würde. Servicekräfte und ungelernte Pflegekräfte werden nun wieder über die unzureichenden Fallpauschalen finanziert, wie das bereits der Fall bis zur Einführung des Pflegebudgets war. Verdi kritisiert dieses Vorgehen und setzt sich nach eigenen Angaben dafür ein, dass alle für die Versorgung im Krankenhaus notwendigen Berufsgruppen in einem solchen Maße als Vorhaltekosten refinanziert werden. So, wie es für eine gute Versorgung der Patienten und bei wirtschaftlicher Betriebsführung notwendig ist.
Es brauche eine bedarfsgerechte Personalbemessung, die festlegt, wieviel Personal in allen Tätigkeitsfeldern im Krankenhaus eingesetzt werden muss. Hier müsse die Politik gesetzlich verbindliche, bedarfsgerechte Personalbemessungen für alle Berufsgruppen im Krankenhaus definieren und ausreichend finanzieren.
Verdi fordert eine vollständige Abkehr vom Fallpauschalensystem (DRGs) hin zu einer kostendeckenden Refinanzierung aller bei wirtschaftlicher Führung anfallenden Kosten im Krankenhaus.
Keine Entlastung in Sicht
Als sehr unterschiedlich bezeichnet der Verband der Krankenhausdirektoren (VDK) die Herangehensweise der Kliniken an die neue Situation. „Die Spannweite dürfte davon reichen, dass diese Aufgaben nunmehr examinierte Pflegekräfte durchführen. Bis hin zu der Fragestellung wie durch den Einsatz technischer Lösungen die Pflege hier entlastet werden kann“, so ein Sprecher des Verbands. Denkbar sei ferner, dass alles so weiterlaufe, es jedoch zu einer Verschärfung der wirtschaftlichen Lage des Krankenhauses führt, weil ein weiterer Baustein der Finanzierung wegbricht.
Das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz
Die Regelung, dass Serviceleistungen in Kliniken ab Januar 2025 nicht mehr über das Pflegebudget abgerechnet werden dürfen, wurde im Rahmen des Krankenhauspflegeentlastungsgesetzes (KHPflEG) beschlossen. Dieses Gesetz trat am 1. Januar 2025 in Kraft und zielt darauf ab, die Pflegekräfte in Krankenhäusern zu entlasten und die Qualität der Patientenversorgung zu verbessern.
Eine zentrale Bestimmung des KHPflEG ist die klare Trennung von pflegerischen und nicht-pflegerischen Tätigkeiten. Demnach dürfen Serviceleistungen wie Transportdienste, Reinigungsarbeiten oder administrative Aufgaben nicht mehr über das Pflegebudget finanziert werden. Stattdessen müssen diese Leistungen separat budgetiert und abgerechnet werden, um sicherzustellen, dass die finanziellen Mittel direkt der pflegerischen Versorgung zugutekommen.
Diese Maßnahme soll gewährleisten, dass Pflegekräfte sich verstärkt auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können und nicht durch fachfremde Tätigkeiten belastet werden. Durch die Entlastung von nicht-pflegerischen Aufgaben wird erwartet, dass die Arbeitszufriedenheit der Pflegekräfte steigt und die Qualität der Patientenbetreuung verbessert wird.
Insgesamt moniert der VKD, dass hier ein Webfehler des Pflegebudgets sehr eindeutig zu Tage trete. Pflege sei heute nicht nur das, was unmittelbar am Bett stattfindet, sondern werde von vielfältigen Prozessen drumherum beeinflusst. Nicht jeder an der eigentlichen Pflege der Patienten andockende Begleitprozess müssevon einer examinierten Pflegekraft durchgeführt werden. Trotzdem sei er ein pflegerischer Prozess.
Diese Grundproblematik ließe sich weiterziehen. Zum Teil werden nämlich pflegerische Kollegen in Notaufnahmen oder zentralen Aufnahmeeinheiten nicht oder nicht vollständig auf das Pflegebudget angerechnet, denn die Tätigkeit findet nicht am Stationsbett statt. Das aktuelle Finanzierungssystem, so der Verband, sei nicht ansatzweise nachhaltig. Langfristig werde man nicht umhinkommen, Reformen inklusive Finanzierung auf das gesamte Gesundheitswesen zu beziehen und nicht nur auf einzelne Leistungserbringer wie zum Beispiel Krankenhäuser.






Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!
Jetzt einloggen